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TAGEBUCH

ÜBER

DR. MARTIN LUTHER

GEFÜHRT VON DR. CONRAD CORDATUS

1337.

ZUM ERSTEN MALE HERAUSGEGEBEN

VON

DR. H. WRAMPELMEYER,

OBERLEHRER AM KÖNIGL. GYMNASIUM ZU CLAUSTIHAT,

HALLE. MAX NIEMEYER. 1885.

[a 2 us

Durch alle Buchhandlungen sind vom 1. October 1885 ab zu herabgesetzten Preisen zu beziehen:

Henke, E.L. Th., Neuere Kirchengeschichte.

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: W. Gass. 3 Bünde. 1574—)1550. gr.5. .A 12,00 (früher A 22,50).

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Beigelegten Brofpect hierüber zur geil. Beachtung!

Halle a.5. Max Niemeyer Verlagsbuchhandlung.

TAGEBUCH

ÜBER

DR. MARTIN LUTHER

GEFÜHRT VON DR. CONRAD CORDATUS

1537.

ZUM ERSTEN MALE HERAUSGEGEBEN

VON

o DR. H. WRAMPELMEYER,

OBERLEHRER AM KÜNIGL. GYMNASIUM ZU CLAUSTHAL,

HALLE. MAX NIEMEYER. 1885.

608.2 L92.9 C 724 to. 1884

VORWORT.

I. Ueber die Calvörsche Kirchenbibliothek in Zellerfeld und die in derselben aufgefundene Handschrift.

De Begründer der Zellerfelder Kirchenbibliothek ist Caspar Calvör, eine für seine Zeit und für den Oberharz wichtige Persönlich- keit!) der von Henning Calvör, dem Verfasser des bekannten noch heute geschätzten bergwissenschaftlichen Werkes: „acta hist. chronol. mechanica circa metallurgiam in Hercynia superiore oder hist chronol. Nachricht und praktische Beschreibung des Maschinenwesens im Oberharze 1763. 2 v. fol^ und von dessen Sohne Caspar Calvör?) zu unterscheiden ist. Er wurde geboren am 6. Nov. 1650 zu Hildesheim.?) Sein Vater, Joachim Calvör, der aus Glindenberg im Magdeburgischen stammte, ist 1693 als Pastor an der St. Andreaskirche in Braunschweig gestorben. Caspar Calvör besuchte zuerst die Schule in Hildesheim, wo sein Vater damals Rektor war, darauf die Katharinenschule zu Braunschweig. 1668 bezieht er die Universität Jena und den 5. Juli 1672 die Julianain Helmstädt. Hier hörte er Friedrich Ulrich Calixt, den Sohn des berühmten Georg Calixt, ferner den Orientalisten Joh. Sauber, den Philologen Christian Sehrader und den bekannten Polyhistor Hermann Conring. In Hehnstüdt legte er den Grund zu seiner staunenswerten über viele

1) Nüheres über Calvür, sein Leben, seine Schriften, sowie über die von ihm gegründete und später der Zellerfelder Kirche vermachte Bibliothek in der Zeitschr. d. Harzvereins f. Gesch. 1884. XVII. S. 51 ff.

2) Ueber die verschiedenen den Namen Calvör tragenden Persönlichkeiten vgl. Festschrift zum Lutherjubiläum. Clausthal 1883. 8.1. Note 1.

3) Ausser den Festschrift z. Lutherjub. S. 1 angegebenen Quellen sind noch benutzt worden das Testament Calvürs, welches in Zellerfeld in mehreren Abschriften vorhanden ist, sowie n. 28 des Christl. Sonntagsblattes v. 1845, herausgegeben v. Woltmann und Liührs.

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Zweige des menschlichen Wissens ausgebreiteten Gelehrsamkeit Am 8. Oetober 1674 wurde er Magister und Doktor der Philosophie unter dem Dekanate des Melchior Smid.!) Schon war er im Begriff die akademische Laufbahn einzuschlagen, als er seinen Plan änderte und nach einem kurzen Aufenthalte in Braunschweig als Diakonus nach Zellerfeld an Stelle des daselbst zum Superintendenten beförderten Pastor Georg Walther ging. 1679 schloss er eine kinderlos gebliebene Ehe mit Catharina Wiechmann, der Tochter des Zehntners Christoph Wieehmann und der Ursula Toppe, einer Tochter Hermann Toppe’s, der 1675 als Abt von Amelunxborn und Generalsuperin- tendent in Holzminden starb. Als nun der Superintendent Walther, mit dessen Namen jener schreckliche Brand Zellerfelds vom 28. October 1672 vielfach in gehässiger Weise in Verbindung gebracht ist, starb, wurde Calvör sein Nachfolger. Nun waltet er seines Amtes in ge- schiekter und treuer Weise und entfaltet zugleich eine erstaunliche ausseramtliche gelehrte Thätigkeit. An den wichtigsten Tagesfragen nimmt er in hervorragender Weise Teil, besonders an den damals alle Welt bewegenden synkretistischen Streitigkeiten. Lebhaft interessiert er sich mit Wort und Schrift für die Versuche zur Vereinigung der reformierten und lutherischen Kirche, greift wirksam in diese Bewegung ein, ja er sucht einen allgemeinen Friedenscongress zu Stande zu bringen, der von den deutschen Fürsten beider Confessionen berufen werden Sollte. Sein Auftreten bleibt auch keineswegs unbemerkt. Eine Reihe von Rufen ergeht an ihn. Lehrstühle an deutschen Hochschulen, hohe Kirehenümter werden ihm angeboten. Alle diese Rufe hat er jedoch ausgeschlagen. Er wollte von den ihm lieb gewordenen Bergen nicht scheiden. 1708 wird er vom Herzog Ulrich zum Consistorial- und Kirehenrat ernannt und 1720 geht er nach Clausthal als General- superintendent des Fürstentums Grubenhagen. Hier ist er 1725 in dem Alter von 75 Jahren gestorben und in der Zellerfelder Kirche, wo noch jetzt sein Bildnis zu sehen ist, begraben. Sein Andenken aber steht noch heute in Segen.

Neben seiner amtlichen Wirksamkeit ist Calvör in erstaunlicher Weise thätig gewesen. Er ist ein Polyhistor im besten Sinne des Wortes. Man merkt ihm die Helmstädter Schule an. Männer wie Meibom,

1) Nach einer gütigen Mitteilung des Dr. P. Zimmermann heisst es in den

im Landesarchive zu Wolfenbüttel befindlichen Helmstädter Universitäts-Acten:

‚Octobris d. VIII. (1674) optimarum artium magistros et philosophiae

D. renunciavi Melchior Smid decanus ....... Casparum Calvoerium

Hildesium.^ Am 7. März 1671 wird auch ein Joachimus Calvoer, Lildes-

heimensis, in Helmstädt immatrikuliert, wie es scheint, ein Bruder von Caspar Calvür.

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Calixt, Conring, leuehtende Zierden der alten Juliana, sind seine Vorbilder gewesen. Gross ist die Zahl seiner deutschen und lateinischen Schriften. Nicht weniger als 26 sind bekannt. Sie erstrecken sich auf viele Zweige des menschlichen Wissens, ja manche haben noch jetzt ihren Wert. Ein Beweis seiner staunenswerthen Gelehrsamkeit ist z. B. das 1719 von ihm veröffentlichte homiletische Werk: Corona duodecim stellarum, worin er sich nicht nur als Kenner von 12 Sprachen, sondern auch als tüchtigen Kirehenhistoriker zeigt.

Dieser gelehrte Mann hat nun in dem Zeitraume von 1677—1725 eine bedeutende und wertvolle Bibliothek gesammelt und dieselbe in seinem 125 Seiten umfassenden Testamente, welches ausserdem noch vielfache Bestimmungen tiber dereinstige Verwendung seines für damalige Zeiten recht bedeutenden Vermögens zu milden Zwecken und Stiftungen enthält, der Kirche zu Zellerfeld, wo er 33 Jahre segensreich wirkte, vermacht.

Diese Bibliothek umfasst etwa 4000 Bände. Seit der Restauration der Kirche im Jahre 1864, wozu der verstorbene König Georg V. von Hannover die Hauptmittel hergab, ist sie in den oberen Räumen. des östlichen Ausbaues aufgestellt Von den verschiedenen Wissenschaften sind die Theologie, Philosophie, Jurisprudenz, auch Medizin und Natur- wissenschaften, besonders aber die Geschichte in vielen älteren und wertvollen Werken vertreten. Auch Manuseripte!) sind in ziemlicher Anzahl vorhanden. Mit der Zeit geriet die Büchersammlung in Un- ordnung, und Wichtiges ging verloren. Mehr als einmal ist die Bibliothek in Gefahr gewesen von den Flammen verzehrt zu werden. In neuester Zeit ist man jedoch mit Eifer und Erfolg bemüht gewesen die alte Ordnung wiederherzustellen.

Es war nun im Frühjahre des Lutherjahres 1883, als der Heraus- geber dieses Buches das Glück hatte in dieser Bibliothek ein bisher nicht benutztes Manuscript?) aufzufinden, dessen Inhalt sich bei näherer Prüfung als ein hochbedeutsamer und wertvoller erwies.

1) Ueber einzelne wertvolle Werke, sowie über andere Manuscripte der Calvoeriana, besonders über Originalaufzeichnungen der 12 auf dem Lichtenberger Convent von 1576 versammelten Theologen sind Mit- teilungen von mir gemacht in der Zeitschr. d. Harzver. f. Gesch., XVII, S. 55—57. Dieses Manuscript scheint von Helmstädt aus, wohin es vielleicht durch Selneccer, der die Seele des Lichtenberger Convents und eine Zeit lang Hofprediger und Generalsuperintendent in Wolfenbüttel war, auf irgend eine Weise kam, in den Besitz Calvoers gelangt zu sein.

2) Dass diese Handschrift früher nicht unbekannt gewesen ist, habe ich bereits S. 42 der Festschrift d.'Künigl. Gymnasiums z. Clausthal zum Luth. Jubiläum mitgeteilt. Mehrere ältere Hände, welche darin örscheinen, zeigen, dass der Inhalt derselben vor Zeiten eifrig studiert ist. Auch eine viel jliingere diesem Jahrhundert

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Wenn ich zuerst die Frage beantworten soll, wie die erwähnte Handschrift in die Calvoeriana gekommen ist, so kann darüber nur eine Vermutung ausgesproehen werden. Da jedoch Calvoer in Helm- städt unter der Leitung des Theologen Friedrich Ulrich Calixt, dessen Lieblingssehüler er gewesen sein soll, studierte, da es ferner nieht unbekannt ist, dass Friedrich Ulrich Calixt und Calvoer in langjührigen nahen Beziehungen zu einander gestanden haben, da sich endlich viele Schriften und Briefe beider Calixte in der Calvoeriana befinden, so ist es wohl nicht unwahrscheinlich, dass die Handschrift aus Helmstädt stammt. Hierhin mag sie der ältere Calixt gebracht haben, der auf seinen beiden grossen Reisen, die er 1609 und 1610 machte, wertvolle literarische Erwerbungen, wie es heisst, machte. Von seinem Sohne Friedrich Ulrich Calixt wird sie in den Besitz Calvoers gelangt sein.

Das Manuseript, ein stattlieher Quartband, ist sehr gut erhalten. Ehemals befanden sich Messingsehlósser daran, deren Reste noch heute sichtbar sind. Der Einband (Holzdeckel mit aufgeklebtem, gepresstem Pergament) ist unversehrt und trägt noch jetzt die Spuren einstiger Pracht und Schönheit. Die Oberflächen der beiden Deckel zeigen in der Mitte ein Rechteck, dessen Felder, so weit dies noch zu erkennen ist, in der bekannten Weise der damaligen Zeit, allegorische und mythologische Darstellungen, Personifikationen von Tugenden ff. ent- halten, während die Aussenseiten desselben von Medaillons umgeben sind, welche die typischen historischen, noch deutlich kenntlichen und mit Namensunterschrift versehenen Portraits von Männern einschliessen, die wie Luther, Melanthon, Erasmus, Friedrich der Weise ff. in der Geschichte der Reformation eine hervorragende Rolle gespielt haben.

angehörige Hand ist darin vertreten. Diese hat z. B. auf einigen ursprünglich leer gelassenen Blättern zumeist mit wenig Glück eine Abschrift von einzelnen Teilen des handschriftlichen Textes angefertigt. Auch sonst erscheint sie in einigen Bemerkungen, von welchen mehrere nicht richtig sind. Ferner war mir bereits vom Herrn Geh. Justizrat Dr. Meyer, dem jetzigen Prüsidenten dos Landesconsistoriums in Hannover, der die Handschrift schon als junger Mann in seiner Heimat Zellerfeld gekannt hat, die Mitteilung gemacht worden, dass auch früher bereits ein Versuch gemacht sei das Manuscript zu bearbeiten. Dies ist vor 15 Jahren geschehen, und zwar von Seiten des Herrn Superintendenten Grosse in Zellerfeld, jetzt in Markoldendorf. Dieser hat, wie er mir in- zwischen brieflich mitzuteilen die Güte hatte, nach vorausgegangener Begutachtung des Manuscripts durch den Prof. Muther in Rostock in einer an das Königl. Consistorium zu Hannover gerichteten 18 Seiten umfassenden Dissertation, die jedoch damals eingetretener Umstünde wegen ihren Bestimmungsort nicht erreicht hat, sich über den Wert und den Inhalt der Hdschr. verbreitet. Dabei ist es denn allerdings auch geblieben, so dass von einer früheren an die Oeffentlichkeit gelangten Bearbeitung des Manuscriptes nicht die Rede sein kann.

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Auf der Vorderseite des oberen Deckels ist inzwischen nach Entfernung des Schmutzes oben und unten am Saume des vorhin erwähnten Rechtecks eine wichtige in das Perga- ment hineingepresste Inschrift zu Tage getreten. Oben ist noch Folgendes lesbar: C--D--US, während unten 1537 steht.

Auf der Innenseite des oberen Deckels stand der Name eines ehemaligen Besitzers. Ein späterer Besitzer vielleicht war es Calvoer selbst hat diesen dermassen durch Kreuz und Querstriche getilgt, dass nur noch Einzelnes zu erkennen ist. Mit Mühe entziffert man noch: 1664 Anno 1664. Joh. Otto von B— —. Auf dem inneren Rande des Buches steht endlich kaum noch lesbar: Apophteg- mata Lutheri.

Was nun das Innere des Manuscripts betrifft, so enthält dasselbe 730 Seiten auf vortrefflichem dauerhaftem Papier. Je 8 Blätter bilden einen Quaternio und sind als solcher von der Hand des Sehreibers unten am Rande mit den fortlaufenden Buchstaben des Alphabets be- zeichnet, S. 273 wieder mit Aa von vorn beginnend. Die ersten 74 Seiten (Quaternio A F) sind oben nicht paginiert. Dies beginnt erst mit dem Hauptinhalte der Handschrift, und zwar von späterer, aber alter Hand bis S. 329 ausgeführt, von viel jüngerer von S. 329—653. Der Inhalt stellt sich von Quat. G. S. 1 ff. in grösseren und kleineren Absützen dar, die fast immer ein in sich abgesehlossenes Ganze bilden. Auf S. 1 des Quat. A. hat ein alter Besitzer folgende Inhaltsangabe gemacht: Apophtegmata Syncerissimi Theologi et apostoli Jesu Christi et ultimi praeconis Euangelij de Christo, Doc- tissimi doctoris Martini Lutheri Reverendissimi patris nostri. Darauf folgt ein „Herz“ (oder ein Blatt) und darunter stehen die Worte: Andreas Reine est verus dominus huius libri. S.2—16 des Quaternio A sind unbeschrieben, S. 13 und 14 herausgeschnitten, Nur ein schmaler Streifen ist noch davon vorhanden. Von Quat. B ist S. 1—8 beschrieben, während S. 4 leer ist und S. 5—16 fehlen. Quat. C ist dagegen auf S. 1—8 beschrieben, während S. 6—16 nicht mehr vor- handen sind. Quat. D bietet S. 1—9 handschriftlichen Text, S. 10—16 wurden dagegen ursprünglich leer gelassen. Quat. E enthält 16 Seiten Text, Quat. F. aber nur auf S. 1—3, während S. 4—16 unbeschrieben sind. Mit Quat. G (oben als S. 1 paginiert), beginnen dann die Apophthegmata Lutheri bis Quat. a (nach Quat. Zz), von S. 1—653. In der Mitte des Manuser. ist S. 378 leer, ebenso S. 14—16 des letzten Quat. (Die drei letzten Seiten von S. 653 an).

Die Sehrift des Sehreibers, eine gewandte, im ganzen zierliche Gelehrtenhand, die sich recht wohl mit der lateinischen, dagegen sehr

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wenig mit der griechischen Sprache vertraut zeigt, ist besonders in der zweiten Hälfte des Manuscripts schwer zu lesen. An sieh gut und gleichmässig erschwert sie doch dureh zahlreiche, oft ungewöhnliche Abkürzungen, auch durch Ungleichmässigkeit und Undeutlichkeit, die schnelles Schreiben hervorruft, auch für Getübtere das Lesen nicht selten in hohem Grade. Der Text ist lateinisch, jedoch mit vielem eingestreuten Deutsch. Fehler finden sich zahlreich, besonders in der ersten Hälfte des Manuscripts (vgl. z. B. S. 240—250). Meistens sind es jedoch Nachlässigkeiten und Flüchtigkeiten von Seiten des Schrei- bers, der augenscheinlich sehr schnell schrieb. Schwerere Verderbnisse des Textes sind seltener. Solche finden sich z. B. n. 26 (vgl. Nach- träge II), n. 110, 169, 293, 298, 328, 333, 406, 518, 538, 830 (vgl. Nach- träge II) dieses Tagebuches. Nicht selten fehlen auch einzelne Wörter, die der Schreiber am Ende der Zeile ausliess, grössere Auslassungen kommen dagegen wenig oder gar nicht vor. Von S. 1—656 zeigt das Papier als Fabrikzeiehen ein Rad mit drei Speichen und einem darauf errichteten Kreuze.

Was endlieh die Orthographie und Interpunktion betrifft, so ist beides willkürlich. Bald heisst es z. B. Hieronimus, bald Jeronimus, bald Satan, bald Sathan ff. So finden sich ferner die Formen Wittemberg, Wittenwerck, Witemberga, Witenberga ff., aueh Wormbs, Worms, Wormatia ff, Augsburg, Auspurg, Aus- purck, Auspurk, Augspurga, Augusta ff, Aegiptus, Aegipten, Egiptus ff. Nicht selten ist die Orthographie aber auch consequent. So schreibt der Schreiber stets caussa, Absolon, Chrisostomus ff., auch fast immer AntiChristus. Eine weitere Eigentümlichkeit ist es, wenn in sehr zahlreichen Fällen Appellativa und andere Wörter ohne allen ersichtlichen Grund mitten im Texte mit grossen Anfangs- buchstaben geschrieben werden. Nicht minder willkürlich ist auch die Interpunktion. Oft genug ist sie falsch oder führt irre. Nur darin zeigt sich Consequenz, dass da, wo wir eine stärkere Interpunktion erwarten, meistens nur ein Komma gesetzt, und dann mit einem grossen Anfangsbuchstaben fortgefahren wird.

Ich komme nun zu dem eigentlichen Inhalte der Handschrift. Dieser ist nun ein äusserst wertvoller und zwar folgender:

l) Eine praefatio Dr. Martin Luthers. 1537. Original- Manuscript Luthers. Quaternio B. S. 1—3.

2) Eine deutsche Vorrede Dr. Martin Luthers, gerichtet an Nieolaus v. Amsdorf, die Stassfurter Historie betreffend. 1585. Original-Manuseript Luthers. Quat. C. S. 1—8.

9) Eine kleinere ungedruekte Abhandlung Dr. Phil. Me- lanthons. Original-Manuseript Melanthons. Quat. D. S. 1—9.

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4) Eine grössere ungedruekte Abhandlung Dr. Philipp Melanthons, welche den Titel führt: Quomodo concionator novitius coneionem suam informare debeat. Geschrieben von der Hand des Schreibers der folgenden Num. Quat. E. Quat. F. $. 1—3.

5) Apophthegmata Lutheri Umfangreiche bis jetzt nieht bekannte Aufzeichnungen über Dr. Mart. Luther. Nach der Subseriptio S. 653 abgeschlossen 1537. Quat. G—Zz, a s. 1—653.!)

H. Dr. Conrad Cordatus und sein Verhältnis zu Dr. Martin Luther.

Die Apophthegmata Lutheri sind der umfangreichste und wertvollste Teil der Handschrift. Es fragt sich nun zuerst: Wer ist der Sammler und wer hat diese umfangreichen Aufzeich- nungen über Luther gemacht? Wo sind sie gemacht? In welcher Weise zu Papier gebracht, und endlich: In welche Zeit fallen dieselben?

Der Sammler und Aufzeichner ist Dr. Conrad Cordatus,?) ein aus der Geschichte der Reformation uns wohlbekannter Mann. Dies geht ganz unzweifelhaft aus n. 56 und 133 dieses Tagebuches hervor. Er hat Luthers Worte selbst aufgezeichnet und nieht erst von andern gesammelt?) Sodann giebt n. 133* darüber sehr interessanten Auf- schluss, wo und in welcher Weise diese Aufzeichnungen gemacht sind. Da hören wir Folgendes aus dem Munde des Sammlers selbst: „Ego quidem semper intelligebam, audax facinus esse, quoties vel stabam ante mensam vel sederem conviva, et (ut) seri- hberem omnia, quae audiebam, at pudorem vincebat utilitas,

1) Nummer 1—4 sind von mir im J. 1883 herausgegeben. Das Nähere hierüber Festschrift z. Luth. Jub. S. 13—26. Ueber n.1 hat eine alte Hand Folgendes ınit roter Tinte geschrieben: Anno Christi 1537 mense Marcio. Manus synce- rissimi Theologi et apostoli Christi Jesu (ut ego sentio), ultimi prae- conis Euangelij de Christo, doctissimidoctoris M. Lutheri Revercon- dissimi patris nostri. Eine andere etwas jüngere Hand hat bei n. 2 oben an den Rand geschrieben: „Dr. Lutheri eigene Hand.“ n.3 trägt endlich folgende alte Inschrift: Manus praeceptoris nostri Philippi Melanthonis. Diese - Hand scheint mit der des Andreas Reine, der Quart. A. S1. die erwühnte Inhaltsangabe gemacht hat, identisch zu sein.

2) Vgl. auch die vorhin erwähnte Inschrift auf dem oberen Handschriften- deckel, die nichts anders heissen soll als: CORDATUS. 1537.

3) n. 56 „Ad me, cum Vitembergae agerem propter Verbum, quoties dixit: Cordate, Si vos pecuniam non habetis etc., n. 133. „Tandem dabam ei illas (sc. tbelas, quibus solebam audita inscribere), quibus inscribebat: Omnia non prodest Cordate inscribere chartis etc."

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Doctor autem nunquam ne verbo quidem significavit, ei hoe faetum meum displicere, Imo viam alijs feci, quod idem auderent, Maxime M. Vitus Theodorieus et Joannes Turbi- eida, quorum mieas (ut spero) illis meis coniunxero, omnis multitudo piorum gratis mihi erit.*

Hieraus geht mit Sicherheit Folgendes hervor: , Cordatus hat seine Aufzeichnungen in Luthers Hause und an Luthers Tische gemacht. Erthat dies zuerst. Andere haben ihm dann nachgeahmt. Unter diesen macht er Veit Dietrich und Joh. Tur- bicida namhaft Er hofft die pietätvoll gemachten Aufzeichnungen dieser beiden Männer mit den seinigen vereinigt zu haben.

Auch darüber lässt uns Cordatus an derselben Stelle nicht in Ungewissheit, in welcher Weise es ihm gelang seine umfangreichen Aufzeichnungen zu Papier zu bringen. Er hat alles, was er hörte, mochte er als Gast am Tische sitzen oder nicht, sogleich nieder- geschrieben (ut scriberem omnia, quae audiebam quoties vel stabam ante mensam vel sederem conviva) und zwar, wie es n. 133* weiter heisst, animo simpliei ac candido d. h. treuen und reinen Herzens, mit Treue und heiligem Ernste. Sodann erfahren wir aus n. 133, dass er dazu, wie es scheint, nicht etwa einzelne Zettel oder Blätter, son- dern tabulas suas benutzte, womit wohl ein Taschen- oder Notiz- buch gemeint ist. Er berichtet nämlich bei Gelegenheit eines interes- santen Vorfalles mit Melanthon: Seripseram in tabulas meas!)

1) Die Ausdrücke tabulae und hernach tabellae, die auch mit Tagebuch übersetzt werden künnen, sind der Grund gewesen, weshalb diesem Buche der Titel „Tagebuch tiber Dr. Martin Luther" gegeben worden ist. Denn allerdings kónnen Cordatus Aufzeichnungen ein Tagebuch in dem Sinne genannt werden, als er längere Zeit täglich Aufzeichnungen in Luthers Hause machte, wenn er auch den einzelnen Abschnitten das betreffende Datum nicht vorgesetzt hat. Mit grüsserem Rechte hätte jedoch der Titel lauten müssen: Dr. Conrad Cor- datus Aufzeichnungen über Dr. Martin Luther, oder Dr. Mart. Tisch- reden bis zum Jahre 1537 nach den Aufzeichnungen des Dr. Conrad Cordatus.

Nach einer Mitteilung des Herrn Prof. Kawerau befindet sich in der Künigl. Bibliothek zu Berlin ebenfalls handschriftlich noch eine andere Tischreden- sammlung des Cordatus, die zuerst als eine Abschrift der Zellerfelder Hand- schrift bezeichnet wurde. Nach den Proben jedoch, die ich der Güte des inzwischen verstorbenen Oberbibliothekars Geh. Rat. Dr. Lepsius verdanke, ist diese von einem gewissen uns unbekannten Sebastian Redlich, der sich Bernoensia (Bernensis?) nennt, 1566 und 1567 geschriebene Handschrift (Manuscript. lat. Quart. 97) keinesweges eine Kopie der Zellerfelder. Sie enthält auch nur zum kleineren Teil colloquia Lutheri, die müglicher Weise als ein Excerpt aus der Zellerfelder Handschrift anzusehen sind, aber bereits vielfache Abweichungen auch im lat. Texte bieten, wührend das eingestreute Deutsch schon viel jüngere Formen zeigt. Vgl. z.B. n. 706 und fol. 33 der Berl. Handschr., n. 866 und fol. 107.

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haec verba, Luther ad Philippum: Tu Retor es scribendo non dicendo. Plaeebat enim mihi eandor tum loquentis tum etiam audientis, qui volebat persuadere Lutherum, ne rursus responderet libello edito per pastorem in Coln, quem Luther voeat Meuehler von Trasen. Sed quae scripseram Philippo non placebant, Ideo petitis et repetitis saepe a me tabellis, quibus solebam audita in- scribere, tandem dabam ei illas, quibusipse parum leetis hoc disticon inscribebat:

Omnia non prodest Cordate inscribere chartis, Sed quaedam tacitum dissimulare decet.

Cordatus hat also das Gehörte jedesmal in ein Taschen- oder Notizbuch geschrieben. Dies geht aus seinen eigenen Worten mit Sieherheit hervor.

In welche Zeit fallen nun die Aufzeichnungen des Cor- datus? Auch hierüber ist sicherer Aufschluss zu erlangen. Wohl ist den einzelnen Abschnitten wie in dem Tagebuche des Antonius Lauterbach kein Datum beigefügt. Gleichwohl lässt sich aus dem Inhalte zahlreicher Gespräche ein Schluss auf die Zeit machen, in welcher Luthers Worte gesprochen sind. Auf den ersten Blick sieht man, dass eine grosse Menge der aufgezeichneten colloquia in die Jahre 1531—1533 fällt. Suchen wir nach einem terminus a quo, so geht z.B. aus n. 56 mit Sicherheit hervor, dass Luthers Worte bereits 1524 oder 1525 an Cordatus gerichtet wurden. Eine frühere Zeit ist nicht vertreten. Einen bestimmten terminus ad quem giebt aber die Subseriptio der Handschrift S. 653. Sie lautet - nämlich: De hoec fine hab Gott lob vnd danck, den ich hab mich Ja schier die helfft zu todt geschrieben vnd doch nicht wollen nachlassen. Deus meus restituet mihi latus dextrum, quod stupore taetum est, quum immodice seribebam 1537.

Folgendes Nähere über diese Berl. Hdschr. dürfte von Interesse sein: Sie enthält 309 Blätter. Die Apophthegmata Lutheri beginnen fol. 3 mit den Worten: „Modus concionandi. Conrad Cordatus ad Dr. Marti- num Lutherum. Reverendissime Domine pater, Lheret mich Ein kurtze weise zu predigen“ und endigen fol. 133, wo es heisst: „Finis colloquiorum familiarium D. Lutheri. Reverendus in Christo pater D. M. Luther decessit in invocationis (? nominis divini Sepultus Vuitebergae in templo arcis 22. Febr. .... Cuius funeri interfuerunt multi Reverendissimi Doctores. Dann folgen von fol. 133 bis fol. 309 Briefe und kleinere Schriften Luthers und andere Sammlungen und Notizen, sämtlich geschrieben von der Hand desselben Sebastian Redlich. Das ganze Manuscript ist absatzweise geschrieben. Die einzelnen Abschnitte haben bereits Ueberschriften wie bei Lauterbach und in den späteren lat. und deutschen

Tischreden.

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Deo Gloria. Finis. Darnnter ein Herz (oder ein Blatt) und eine Traube.!) Dazu kommt noch die vorhin bereits erwähnte In- schrift auf dem oberen Deckel der Handschrift, wo ebenfalls 1537 als ehronologisehe Bestimmung angegeben ist.

Mit Sicherheit ist hieraus zu folgern, dass die Aufzeichnungen des Cordatus nieht tiber das Jahr 1537 hinausgehen, und dass die Zusammenstellung derselben in der uns vorliegenden Handschrift in demselben Jahre 1537 erfolgt ist. Letzteres wird auch anderweitig bestätigt. Am Schlusse einer Reihe von einzelnen Absätzen finden sich nämlich Zusätze in der Handschrift, die mit Ausnahme der Subseriptio von Cordatus herrühren (siehe das Nähere weiter unten), und zu den voraufgehenden Worten Luthers gemacht werden. Hier kommen be- sonders n. 174 und 371 in Betracht. Während es n. 371 heisst: haec prophetia verifieata est anno 1537 ete., wird n.174 dasselbe Jahr mehrere Male mit den Worten: „Turcam, qui hoc anno Austriam rursus populatur*, ferner ,porro falsos fratres nunquam ante fortiores habemus quam anno (= hoc anno)* und ,Sed etiam hie Deus erit adiutor noster. Amen. 1537* bezeichnet. Da beide Zusätze weder ein früheres noch ein spüteres Jahr angeben, so können sie nur gleichzeitig mit der Zusammenstellung der Aufzeichnungen tber- haupt gemaeht sein, also 1537.

Es würde sieh nun fragen, ob die uns vorliegende Hand- schrift Original-Manuseript des Cordatus ist oder nicht. In der Festschrift zum Luther Jubiläum S. 3 war ausgesprochen, dass . das Alter, sowie die ganze Beschaffenheit des Manuseripts, die Schrift, das Papier mit seinem Fabrikzeichen, die in den Compendien zur An- wendung kommende ratio, der Wortlaut der Subscriptio, der Zusammen- hang (siehe unten) in welchem namentlich das Original-Manuscript der erwähnten lateinischen praefatio Luthers zu den Aufzeichnungen des Cordatus steht, endlieh der Umstand, dass sieh der Sehreiber öfters im Gegensatz zu Luther z. B. n. 33, 55, 56, 57, 74, 75, 111^, 116, 133, 133°, 161, 162 ff. in der ersten Person nennt, die Annahme zu- lasse, dass das Original des Cordatus selbst vorliege. Von dieser Ansicht, die jedoch auch damals nicht ganz zweifellos für mich war (vergl Festschrift S. 3), bin ich inzwischen zurück- gekommen, und zwar nach längerer genauer Vergleichung der von

1) Eine noch wunderlichere Unterschrift findet sich unter einer Sammlung von Briefen ff. des Cordatus, die in einer Abschrift zu Wolfenbüttel 11, 10 cod. August. fol. 625 aufbewahrt wird, aus welcher Bretschneider im Corp. Ref. III, 59 ff. schon einiges mitgeteilt hat. Sie lautet: omnia citissimo calamo scripta et descripta per Conradum Cordatum vice comitem palatinum anno 1537. Kolde Analecta Lutherana. S. 264.

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der Künigl. Bibliotheksverwaltung zu Berlin an mieh gesandten Faesi- miles, welehe den Anfang und den Sehluss der beiden Originalbriefe des Cordatus') enthalten, die er 1548 an den Kurbrandenburgischen Kanzler Weinlaub geschrieben hat. Die in diesen beiden Briefen erscheinende Handschrift ist bei aller Aehnlichkeit nieht identisch mit derjenigen in dem Zellerfelder Manuseript. Es ist vielmehr anzunehmen, dass Cordatus im Jahre 1537, wohl vor seiner Uebersiedelung nach Eisleben, seine Aufzeichnungen zusammen- stellte. Er ordnete den Inhalt seiner Taschen- oder Notizbücher, fügte hie und da eine Bemerkung hinzu und liess dann das Ganze von kundiger Hand abschreiben, und zwar in so beschleunigtem Tempo, dass der Schreiber sich „schier die helffte zu todt schrieb“ und Gott bittet „ihm seine rechte Seite wieder zu kurieren, da sie vom übermässigen Schreiben ganz gelähmt sei“. Dann sorgte er für eine würdige Ausstattung der angefertigten Abschrift. Ein Prachtband war es, in den er sie htüllte. Cordatus 1537 prangte auf demselben. Zugleich liess er die ihm zum Geschenk gemachten Originale, die lat. praef. und die deutsche Vorrede Luthers, die kleinere Abhandlung Melanthons, die grössere Abhandlung desselben in Ab- sehrift, mit hineinbinden, Stücke, die zum Teil mehr oder weniger mit seinen Aufzeichnungen in Verbindung stehen. Das so vollendete Ganze wurde dann als theures Andenken aufbewahrt.

Cordatus Lebensschicksale sind im allgemeinen bekannt.?) Das Wichtigste möge hier jedoch mitgeteilt sein. Dr. Conrad Cordatus wurde 1476 zu Weissenkirchen in Oesterreich von bäuerlichen der Sekte der Hussiten angehörigen Eltern geboren. Er studierte Theo- logie in Wien zwischen 1501 und 1508. Hier war besonders Conrad Celtis sein Lehrer?) Bald darauf begab er sich nach Ferrara, wo er Thomas von Aquino und Gerson fleissig studierte und auch pro-

1) Manuscript. Boruss. fol. 221. n. 127. 129.

2) Das bisher über ihn Bekannte findet sich am besten zusammengestellt bei Ludwig Götze im XIV. Jahresb. d. Altmärk. Vereins f. Gesch. u. Altertumskunde 5.97 ff. Salzwedel 1861. Andere Quellen sind: Cordatus deutsche Postille, d.h. seine von Melanthon 1554 mit einer Vorrede herausgegebenen hinterlassenen Predigten, die er einst zu Niemegk im J. 1534 (vgl. Festschrift S. 36. Note ]) gehalten hat, ferner Kolde Analecta Lutherana Gotha 1883, der aus der Wolfenbüttler Hdsehr. 11, 10. Aug. fol. mehrere Briefe des Cordatus verüffentlieht hat. Manches Neue ist auch in diesem Tagebuche über Dr. Martin Luther enthalten.

3) , Vnd ist dieser Conradus Cordatus in Oesterreich geboren vnd hat inn seiner jugent in der löblichen Vniuersität zu Wien studiert, die zeyt, da der hoch- gelert vnd berhumbt man Conradus Celtis ein Legent da geweson ist, von welchem er sich in Lateinischer sprach etwas gebessert hat.“ Melanthon Vorrede zu Cordatus Postille.

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movierte.!) Dann finden wir ihn in Rom, vielleicht 1508—1509. Hier hörte er nach n. 250 seines Tagebuches eine aufrührerische Predigt des Augustinermönches Egidius, der die Römer gegen Julius II. aufhetzte und sie aufforderte die Engelsburg zu stürmen. Hier sah er auch, wie er n. 1536 zu berichten weiss, dass derselbe Papst alle Fenster und Thüren, an denen das Wappen seines Vorgängers Alexander VI. an- gebracht war, hatte herausreissen lassen. 1510 wird er in Ofen an- gestellt Hier bekleidete er ein eintrügliehes Amt, dessen bare Ein- künfte er selbst auf 200 Gulden angiebt.?) Als er sich aber nach 1517 der reformatorisehen Bewegung anschloss, wurde er abgesetzt, ein- gezogen und lange Zeit gefangen gehalten, sehliesslieh jedoch wieder entlassen.

Flüchtig und mittellos?)) kam er 1524 nach Wittenberg, um evangelische Theologie zu studieren. Hier sehloss er sich besonders an Luther an, dessen energische Natur ihm sympathisch war. 1525 wagte es Cordatus wieder in seine Heimat zurückzukehren. Kaum aber hatte er begonnen als Prediger des Evangeliums aufzutreten, so wurde er wiederum ins Gefängnis geworfen und sein Vermögen con- fiseiert.) In einem finsteren Turme, wo Dunkelheit und Schlangen ihn üngstigten und quälten®), sah er dem Tode ins Angesicht. Ehe sein Process aber beendet war, verhalf ihm sein mitleidiger Wächter nach einer Gefangenschaft von 38 Wochen zur Freiheit.®)

Am 1. Juli 1526 ist er dann wieder in Wittenberg. Sehr bald trifft ihn hier der Ruf des Herzogs Friedrich II. von Liegnitz und Brieg, der Lehrer sucht für seine neu gegründete Akademie. Cordatus geht nach Liegnitz. Die Akademie kommt aber nicht ‚dauernd zu Stande. Die eben angestellten Lehrer gehen bald nach allen Seiten hin auseinander. Auch Cordatus verlässt Schlesien bereits im April 1527. Zum zweiten Male wagt er es jetzt in seine Heimat zurückzukehren und diesmal ohne Furcht und mit Hoffnung im Herzen. Hatte ihm doch die Königin Maria selbst, die Schwester Carls V. und Fer-

1) „Ist auch in derselbigen Vniuersität Doctor geworden“. Melanthon Vor- rede zu Cord. Post.

2) „200 Vngarischen Gulden, essen, trinken, wie ein grosser Herr vnd dazu ein lustige Behaussung, hab ich in Hungern gehabt zu Offen vnd grössere Ehr, denn mir wol anstünde zu sagen." Cordatus Post. I, 304. Vgl. auch Post. II, 352.

3) Vgl. n. 56 des Tagebuchs.

4) ,, Vnd hat jhm Vierhundert Hungerisch gulden genommen.“ Melanthon Vorrede.

5) „Vnd als jhm die Schlangen im Turn vil angst gemacht haben ff.“ Me- lanthon Vorrede.

6) „Ernach hat jhm Gott durch diesen Wechter ausgeholfen.^ Melanthon Vorrede. , Vnd wie die Vngarn 35 Wochen mich gefangen hielten. Postille II, 361.

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dinands von Oesterreich, die nach dem in der Schlacht bei Mo- háez 1526 erfolgten Tode ihres Gemahls, des Königs Ludwig IL, sich dem Evangelium zuzuwenden schien, Aussicht auf Anstellung in Ungarn eröffnet. Diese zerschlug sich indes. Daher finden wir Cordatus 1528 sehon wieder in Witttenberg. Hier verweilte er jetzt, von Luther besonders eingeladen, längere Zeit. 1529 erhielt er durch dessen Ver- mittlung die Stelle eines zweiten Predigers an der Marienkirche in Zwickau, ein Amt, welches er unter schwierigen Verhältnissen bis zum Jahre 1531 bekleidete. Aergerliche Streitigkeiten mit dem Rate der Stadt, der sich mit dem Bürgermeister Hermann Mülphord und dem Stadtsyndikus Stephan Roth an der Spitze wiederholt willkürliche Eingriffe in die Gerechtsame der Geistliehkeit erlaubte, Streitigkeiten, bei denen Cordatus wegen seines hitzigen Temperaments wohl nicht immer die nötige Müssigung bewahrt zu haben scheint, veranlassten ihn auf Luthers dringenden Rat ,jenes Babel, jene Spelunke* mit dem ersten Pastor Nicolaus Hausmann zu verlassen und „den Zwiekauer Bestien und Klótzen* Lebewohl zu sagen.

Jetzt kehrte er nach Wittenberg zurück. Es muss dies in der Zeit vom 10. Juli bis zum 18. August 1531 geschehen sein !), und diesmal scheint er sich noch längere Zeit (vielleicht 10—12 Monate) als Gast in Luthers Hause aufgehalten zu haben. 1532 verschafft ihm Luther eine Pfarrstelle in Niemegk bei Wittenberg, wo Georg Witzel, der wieder zur alten Kirche zurückgekehrt war, sein Amt hatte aufgeben müssen. Hier wirkte er bis 1537 in wenig einträglicher Stellung, wie es scheint?) Auch hier hatte er wie in allen seinen Stellungen mit Schwierigkeiten zu kämpfen. So klagt er n. 1462 des Tagebuches seine Not und wird darauf von Luther getröstet.?) Oft besuchte er von Niemegk aus seine Freunde im nahen Wittenberg und wohnte deren Vorlesungen bei, oft weilte er als Gast in Luthers Hause. 1536 begann er einen heftigen theologischen Streit mit Melanthon, einen Streit, den er leidenschaftlich führte, weil er eine der Hauptlehren Luthers, die Lehre von der göttlichen Gnade, durch jenen gefährdet

1) Götze S. 67 führt den Beweis, dass Cordatus in dieser Zeit Zwickau ver- lassen hat. Doch lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit diese Zeitgrenze noch enger ziehen. Aus n. 167 seines Tagebuches, wo der grosse Komet im August 1531 erwähnt wird, geht nämlich hervor, dass Cordatus schon einige Zeit Aufzeich- nungen über Luther machte. Er ist daher wohl im Anfang August schon in Wittenberg gewesen.

2) Postille, II, 352: „ich muss mir selbs rübensatt bawen, wil ich mir sat Rüben essen." Vgl. auch Post. II, 102.

3) „Cum ego ab eo interrogatus essem, quomodo se res haberet in conditione et praedicatione mea et respondissem meas molestias, infirmitatem etc."

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glaubte.) Schon wollte Melanehthon, dem dieser grosses Aufsehen erregende Streit sehwere Stunden bereitete, Wittenberg verlassen, schon war die Sache der Entscheidung des Kurfürsten anheimgestellt, als Luther, der grossen Einfluss auf Cordatus ausgeübt zu haben scheint, den zornigen Mann, man weiss nieht wie, zur Ruhe und zum Sehweigen brachte. Im Mai 1537 erhält Cordatus einen Ruf nach Eisleben. Noch vor seiner Uebersiedelung nach dem neuen Bestimmungsorte scheint er in aller Eile seine Aufzeichnungen über Luther zusammen- gestellt zu haben. Am 9. Juli 1537 trat er bereits sein neues Amt an.?) In Eisleben sollte er Johann Agricola, der nach Wittenberg gezogen war und später die Stelle eines Hofpredigers zu Berlin und General- superintendenten der Kurmark erhielt, ersetzen, sowie gegen Witzel predigen, der in Eisleben durch die katholisch gebliebene Linie der Grafen von Mansfeld neben dem Prediger Caspar Güttel?) Stellung gefunden hatte. Auch hier ist seines Bleibens nicht lange, auch hier waren die Verhältnisse schwierig und mühevoll. Ein Lichtblick fällt in die Zeit seines Aufenthalts zu Eisleben. Er versöhnte sich wieder mit dem schwer gekränkten Melanthon, und von nun an blieben beide gute Freunde. Auch seine Promotion zum Doktor der evangelischen Theologie muss in diese Zeit fallen. Freilich sind wir wenig darüber unterrichtet. Es ist anzunehmen, dass die Promotion in Wittenberg statt gefunden hat, wenn auch das von Förstemann herausgegebene Werk Liber Deeanorum nichts darüber mitteilt. 1540 wird er endlich als „Superintendent über alle Geistlichen und als Vicedechant des Domstifts zu Stendal vom Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg berufen unter Zusicherung eines Gehaltes von 200 Gulden nebst freier Wohnung und einigen andern Emolumenten.) Es war seine letzte Stellung, und zugleich die sehwierigste von allen. Strenge ging er hier gegen das sittenlose Leben der noch der alten Kirche angehörigen Geistlichen vor, erfuhr aber dafür solche Anfeindungen, dass er in seinen Briefen an Luther und andere Freunde in Wittenberg fast verzweifelte. Wohl suchte ihn Luther zu trösten mit den Worten des 110 Psalms „Herrsche inmitten Deiner Feinde‘ 5), aber immer ertónen seine Klagen wieder.

1) Wie leidenschaftlich er ihn führte, geht aus einer Aeusserung hervor, die sich in einem Briefe von ihm (Kolde, Anal. Luth. S. 279) an Luther vom 6. Dec. 1536 findet. „Nullo enim modo, sagt er, admittendum est, ut cancer ille latius serpat in sanctam crucem Christi.“ Vgl. über diesen Streit das Nähere bei Götze S. 69 ff. Köstlin, Martin Luther II, 455. n. 221 dieses Tageb. nebst Noten.

2) Corp. Ref. III, 1589. Luther Briefe v. de Wette und Seidemann V, 65.

3) Vgl Caspar Güttel, Ein Lebensbild aus Luthers Freundeskreise. Von G. Kawerau in der Zeitschr. d. Harzver. f. Gesch. u A. XIV., 1882, S. 33 ff.

4) Visitationsrecess tiber das Domstift zu Stendal vom 16. Nov. 1540. Original im Regierungsarchive zu Magdeburg, abgedruckt bei Gütze S. 30 ff.

5) Luther-Briefe V, 230.

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Bis zum Februar 1546 hat Cordatus unter schweren Sorgen und Mtihen sein Amt in Stendal verwaltet. Da erging ein ehrenvoller Ruf an ihn von Seiten seines Landesherrn, des Kurfürsten von Brandenburg. In Frankfurt an der Oder sollte er eine Promotion vollziehen. Aber auf der Reise dorthin ist er, wie Melanthon sagt!) krank geworden, als ein alter Mann von grosser kelt vnd hernach in Christ- lichem trost auss diser sterblichen welt zu der ewigen Kirehen im Himmel abgeschieden. So hat denn auch er nieht lange nach Luthers Tode sein kampfesmüdes Haupt niedergelegt zur ewigen Ruhe im Frühjahr 1546. Im Dome zu Stendal soll er be- graben sein.

Was nun im einzelnen sein Verhältnis zu Luther und seine Persönlichkeit anbetrifft, so deutet ja schon der Umstand, dass Cordatus seine Aufzeichnungen in Luthers Hause und an Luthers Tische machen konnte und durfte, auf ein nahes persönliches Ver- hältnis beider Männer hin. Und in der That Cordatus ist einer der vertrautesten und treuesten Freunde Luthers gewesen ja er hat diesem, wie sich aus manchem schliessen lässt, vielleicht von allen am nächsten gestanden. „Cum tu sis mihi inter meos sum- mos amicos non postremus* sagt Luther?) und einer allerdings späteren Nachricht zufolge soll er einmal geäussert haben: „Wenn ich ins Feuer gehen mtisste, so ginge Dr. Pommer mit bis an die Flamme, aber Cordatus mitten hinein.“’) Auch weiss Cordatus recht gut, dass er Luthers treuer Freund ist. So nennt er sich und Hausmann n.57 seines Tagebuches die „proximos Lutheri*. Dazu kommt, dass Cordatus sich zu wiederholten Malen längere Zeit als Gast in Luthers Hause aufgehalten hat. Als er 1524 flüchtig und mittellos nach Witten- berg kommt, ist es Luther, der sich seiner annimmt. „Wie oft, ruft Cordatus dankbar aus*) sagte er zu mir, alsich mich des Evan- geliums wegen in Wittenberg aufhielt: Cordatus, wenn Ihr kein Geld mehr habt, so habe ich noch einige silberne Becher.* So lieb hatte er ihn bereits gewonnen! Ja, als Cordatus nach dem Zwickauer Handel mit Hausmann heil und gesund an Luthers Tische sitzt, so giebt dieser seiner Freude dadurch Ausdruck, dass er

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1) Melanthon, Vorrede zu Cordatus Postille.

2) Briefe V, 702.

3) Christian Schultze, Auff vnd Abnahme der Stadt Gardelegen. Sten- dal 1668.

4) n. 56 „Ad me cum Witembergae agerem propter verbum, quoties dixit: Cordate, Si vos pecuniam non habetis, ego aliquot adhue habeo argenteos cyphos.“

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erklärt, ein Geldgeschenk von 600 Gulden würde weniger Wert für ihn haben als der Anblick der beiden Freunde.!)

An der grossen durch Luthers Persönlichkeit vor allem repräsen- tierten kirchlichen Bewegung des 16. Jahrhunderts hat er den lebhaf- testen Anteil genommen und „oft und viel, wie Melanthon sagt?) mit ihm selbst von allen artickeln christlicher ler geredet.“ Oefters geht aus seinen Aufzeichnungen hervor, dass er es gewesen ist, an welchen Luther Worte, die zum Teil entstellt und ab- weichend auch in den späteren Tischreden vorkommen, gerichtet hat. So wird n. 33 des Tageb. (vergl. auch n. 989, 1408) zwischen Luther und Cordatus die Frage erörtert, ob Salomo selig geworden sei oder nieht. Die schönen n. 111, 111”, 111" mitgeteilten Gespräche werden besonders mit Cordatus geführt. Als alle Anwesenden von Luthers Worten tief ergriffen sind und das Essen darliber vergessen, fährt Frau Käthe dazwischen und ruft aus: Was heisst denn das, dass ihr fortwährend redet und nichts esset? Als Luther ärgerlich über die Störung seiner Frau ihr den Rat giebt, sie möge lieber, ehe sie zu predigen beginne, ein Paternoster sprechen, bemüht sich Cordatus Luther wieder auf das vorige Thema zu bringen, was alle mit Aus- nahme der Frau Käthe so tief ergriffen hatte, und kommt auf Cam- panus und seine Plerophorie zu sprechen.) Ein andermal wird n. 74 u. 75 die Frage eingehend erörtert, ob das Gesetz ohne Ein-

1) n. 57 „Cum ego praedicatorem Hausmannum pastorem Zwiccaviae sequutus fuissem, populumetingratumetseditiosumambo deserentes, dicebat, nobis ei assidentibus, Non tam chari essent mihi sexcenti donati floreni, quam charum mihi est utrumque vestrum abijisse, vos sal- vos, et utrumque mecum sedere."

2) Melanthon, Vorrede zu Cord. Post.

3) ,Dum talia loqueretur in mensa ex pleno et accenso corde sub prandio, respondebat uxor, Quid hoc est, quod sine intermis- sione loquamini et non editis? At ipse, Ich wolt noch heut des tages gerne, ut antequam inciperent concionari mulieres, orarent, Ein paternoster solt ihr zuvor sprechen. Deinde ego studens eum revocare ad priorem mentem interrogabam, quid respondendum esset illi, qui adeo urgeret plerophoriam ut Campanus?*

Von Frau Käthe scheint Cordatus nicht viel gehalten zu haben. Jedenfalls ist sie ihm wie auch dem V eit Dietrich und anderen (Vgl. Küstlin II, 496) nicht sehr sympathisch gewesen. So fragt er Luther, der zu seinem Bedauern seinen Freund Hausmann nicht so, wie er es müchte, mit barem Gelde für den Augen- bliek unterstützen kann, warum er denn seiner Frau erlaubt habe einen Garten anzukaufen. Luther antwortet, er könne ihren Bitten und Thränen nicht widerstehen. Sehrbissig ist aberdieBemerkung, die Cordatus n. 120 überLuthersFraumacht. Daheisstes: ,,Vocabztautem hoc nomine (sc. mulierum pradicationes) longos logos uxoris, quibus ipsa perpetuo optima verba eius interturbabat, Et Dr. Jonas eadem erat virtute."

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wirkung des heiligen Geistes rechtfertige oder nicht, während n. 115 u.116 ein Vorfall besprochen wird, der Luther einst in Kahla be- gegnete, wobei Cordatus an Luther die Frage richtet, wie es ihm müglich gewesen sei der Frechheit der Bilderstürmer gegenüber ruhig zu bleiben. Dagegen will Cordatus n. 161 Auskunft haben über „con- eupiscentia oculorum* und n. 162 über den katholischen Festtag Mariä Himmelfahrt. Beide sprechen n. 253 tiber das Auftreten und die Verdienste von Johann Huss!), n. 259 ist das vierte Buch Esra Gegenstand ihres Gespräches, und n. 637 erzählt ihm Luther von einer schönen Antwort, die er vor Zeiten während des Bauernkrieges vom Kurfürsten erhalten habe. Dagegen wird Cordatus n. 843 von Luther an die Hinfälligkeit des Menschen erinnert, n. 1114 sieht er, wie Luther etwas in sein Gedenkbuch schreibt, n. 1240 sprechen sie über das starke Trinken der Deutsehen, wobei Luther witzig zu erklüren weiss, wie es komme, dass sie gleichwohl gesund dabei blieben, n. 1462 klagt Cordatus über Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten in seinem Amte in Niemegk, über geringe Leistungen auf der Kanzel, und Luther trüstet ihn dann mit dem Hinweis auf sieh selbst und Staupitz ff.

Im übrigen ist Cordatus Persönlichkeit interessant genug. Für die gewaltige geistige Bewegung des 16. Jahrhunderts ist seine Be- dentung keine geringe. Freilich eine der grossen treibenden Kräfte ist er nieht. Im Aufstellen und Ausbauen eigener Gedanken und Systeme ist er kein Luther, auf wissenschaftlichem Gebiete kein Me- lanthon. Gleichwohl darf seine Bedeutung nicht unterschätzt werden. Diese liegt ausser der Seelsorge, der er sieh mit aller Kraft gewidmet zu haben scheint, besonders in dem engen Anschluss an Luthers Lehre, und diese auszubreiten, zu verteidigen, von allen abweichenden Lehr- Sitzen und Deutungen, und mochten sie gar von einem Melanthon herrühren, frei zu halten das hielt er für die Aufgabe seines Lebens. Und diesem Grundsatze ist er treu geblieben bis an den Tod. Er war ein unerschrockener Vorkümpfer des Evangeliums, glühender Eifer für die neue Lehre beseelte ihn, und mehr als einmal hat er zwischen finstern Kerkermauern dem Tode ins Auge geschaut. Man irrt, wenn man glaubt, Luther hätte diese Bedeutung des Cordatus nicht gekannt und gewürdigt. ,Wen ich nhu tod bin, sagt er Fol. 13 der bereits erwähnten kleineren vielleicht aus diesem Tagebuche excerpierten Tisehredensammlung des Sebastian Redlieh, so lasse ich noch drei Theologos hinder mich, alss Pomeranum, Brentium,

1) Vgl. aueh n. 839, 1784, 1«29 des Tagebuches, wo ebenfalls von Huss die Rede ist. ] 9*

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Cordatum!)* n. 378 dieses Tageb. empfiehlt Luther den Cordatus : als einen Mann, der in Versuchungen und Anfechtungen helfen und raten könne, ‚als zur göttlichen Gnade gehürig* bezeichnet er n. 1406 sich selbst, Philippus, Hausmann und Cordatus, n. 134 nennt er ihn gar einen ,legatum Dei.*

Ihn 80 zu nennen dazu hatte Luther wohl ein Recht. Denn ein Gebiet gab es, auf dem Cordatus Meister war. Schon seine Zeit- genossen erklärten ihn für einen der grössten Kanzelredner. Aeusserte doch Luther selbst einmal, dass Dr. Joh. Förster in Wittenberg ihm erklärt habe, „es gebe nur drei Männer, deren Predigt ihm ans Herz gegangen sei, nämlich Luther, Cordatus und Rörer".2) Und dieses Urteil rechtfertigen seine von Melanthon heraus- gegebenen deutschen Predigten. Frisch und naiv, einfach und ernst sprechen sie noch jetzt zu Herzen.

Auch andere Zeitgenossen erkennen die Bedeutung des Mannes willig an. Dr. Bugenhagen nennt ihn in einem Briefe vom 1. Oet. 15443) einen ,clarissimum et dignissimum virum*, Melanthon, der einst so heftig von ihm angegriffene Freund, bezeichnet ihn in der Vorrede zu den von ihm herausgegebenen deutschen Predigten als „einen ehrwürdigen Herrn, einen treuen Mann von christ- liehen Tugenden, der christliche ler gepredigt hat, und grossen ernst gezeygt hat wider alle falsehe ler und wider alle auffrürerische fürnemen, an dessen zeugniss sich andere stereken mögen“. Glünzend ist aber die Anerkennung, die Melanthon ihm in dem Schreiben vom 12. October 1540?*), worin er dem Kurbrandenburgischen Kanzler Weinlaub zur Anstellung in Stendal empfohlen wird, zu teil werden lässt. Da wird er ein „ho- nestus vir, bene eruditus in ecclesiastica doctrina, pius, singulari con-

1) Am 22. October 1536 behielt Luther Cordatus bei sich zum Essen. Da hörte Cordatus, wie Kolde Analecta Lutherana S. 265 mitteilt, folgendes Gespräch zwischen Luther und seinem Diener Wolf Sieberger mit an: Quid Wulff faceres (sc. dicebat Luther), si ego morerer brevi, velles etiam manere apud meam uxorem? Respondit Wulff: Nescio, inquit, sed ego etiam cuperem mori te, o pater, mortuo. Ja, inquit Luther, was meinestu, was werden wirdt, wenn Ich nu thu todt sein? Ingemuit et obticuit.

2) Vgl n.1710 ,— et meus Forster dicit, se tantum a tribus affectum esse, ame, Cordato et M. Rorer, et quod alius afficit, alius non afficit, differentia facit instrumentorum, gleich wieein Messer besser schneid den das ander*. Vgl. auch Erl. A. 59, 191, Fürst. u. B. II, 373, corp. Ref. III, n. 1500.

3) Corp. Ref. V, 3040.

4) Corp. Ref. III, 2027, auch abgedr. bei Götze, XIV. Jahresb. S, 79, 80.

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stantia fidei praeditus* genannt. „Nichts sei wünschenswerter, als dass Gott soleher Diener viele zur Ernte berufe und aussende.* Nachdem Melanthon noeh hinzugefügt hat, dass Cordatus ,acerrime defendisse doetrinae puritatem adversus omnes fanaticas opiniones*, unterzeichnet er sich „Dr. Cordati frater in Christo propter sinceriorem Christi doc- trinam Phil. Melanthon.“ Und als nun die Nachricht von Cordatus Tode in Wittenberg anlangte, da fühlte man erst recht den Wert des Mannes, den man verloren. Wiederum ist es Melanthon, der diesem Gefühle einen lebhaften Ausdruck giebt und unter dem 6. April 1546 an Justus Jonas schreibt: ,memoriam mortis Lutheri alia piorum doctorum funera et revocant et tristiora faciunt. Nam intra duos menses amisimus Lutherum, Cordatum, Loenerum ete.* !), ja Dr. Cru- eiger, der damalige Rector der Universität, stellt ihn in einem öffent- lichen Anschlage im Febr. 1547 mit den grössten Männern zusammen, die der Herr 1546 abberufen habe.) „Esaias, heisst es in demselben, inquit iustos colligi, ne videant mala. Cum igitur fatalis mutatio orbi terrarum impenderet, Deus praeripuit venientibus calamitatibus hoc ipso anno multos viros in his regionibus virtute praestantes, reverendum Dr. Martinum Lutherum, Friderieum Myconium, Cordatum* ete. Aehnliches sprieht endlich auch die Grabschrift des Mag. Peter Hube- rinus, des ersten 1567 verstorbenen evangelischen Predigers an St. Marien zu Stendal, in folgenden Versen aus: Hue ego Leucoriis?) olim mittebar ab oris Sedulus ut Christi Pastor in aede forem, Quod mihi Cordatus mandavitetipseLutherus. Parendum tantis quis neget esse viris? etc.

Freilich auch Stimmen des Tadels finden sich. Das Chronicon Cygneum*) nennt Cordatus einen wunderlichen Mann. Während des erbitterten Streites mit Melanthon belegt ihn dieser mit allerlei Ehren- fiteln. Da wird er ein „homo quadratus, hostis meus, ein axaudevrog, ein dog«oty)c, xuvıxös, ein Sykophant ff.“ genannt, da wird ferner von ihm behauptet, er säe Drachenzähne. Dergleichen lässt Cordatus frei- lich nieht unerwidert. Dies spiegelt sich besonders in mehreren Lusützen wieder, die er zu seinen Aufzeichnungen gemacht hat. Quid hie Philippus? Quid hie Aristoteles diceret? ruft er 1.22] aus, während er n. 1507 hinzufügt: hoe non eredunt caus- sarij (d.h. unfähige Leute) Ironisch setzt er n. 1450 den Worten

1) Corp. Ref. VI, 3435.

2) Corp. Ref. VI, 3737.

3) Wittenberg ist gemeint. Die schöne Grabschrift vgl. man weiter bei Gótze, XIV. Jahresbericht S. 89.

4) Chronik von Zwickau 1656. I. S, 390.

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Luthers hinzu: Hactenus Philippus ille eum sua novitate. n. 133 macht er Melanthon den Vorwurf, dass er sich seine Aufzeich- nungen nur flüchtig angesehen habe. n. 138* fühlt er sich dureh dessen Distiehon (vgl. n. 133) beleidigt. Ja n. 174 wird er ganz grob und nennt Melanthon am Schlusse des Absatzes einen „ducem caussari- orum und falsorum fratrum, qui nune philosophantur de artieulo iustificationis!*

In der That er ist ein trotziger, schroffer, hitziger Charakter, ebenso zornig und aufbrausend, ebenso derb wie Luther, namentlich, wenn es sieh um Glaubenssachen handelt Luther beurteilt ihn ganz richtig, wenn er n. 184 dieses Tageb. sagt: ,rursus quum Legato Deus indiget, qui res suas serio proponat et ausit corri- pere immorigeros, utitur iraeundia irati alieuius, velut Cordati, hominis, qui durus est verbis et moribus ete., ja Cordatus kennt sich selbst ganz genau, wenn er erklürt!), „si quie est, qui putet, me natura durum haec agere et scribere. huie respondeo verum esse, sed spiritum Christi naturam meam mutasse, non abstulisse.* Auch andere kennen ihn von derselben Seite. Für die Conferenz in Sachen der Zwickauer, an der auch Cordatus nach n. 390 d. Tageb. Teil genommen hat, empfiehlt ihm Melanthon „patientiam non solitam?), und Jonas fragt ihn während des Streites mit Melanthon, ob er nach jenem kleinen Feuer- brande in Zwickau eine grosse Feuersbrunst in Wittenberg anzünden wolle.3) Keineswegs wird man ihm aber in dem Grade wie es wohl ge- schehen ist, hoehfahrendes Wesen, Streitsucht, Stolz und Eitelkeit vor- werfen können. Spuren davon müssen jedoch schon seine Zeitgenossen an ihm wahrgenommen haben. Und zwar ist es kein geringerer als Luther selbst, sein treuer Freund, dem bisweilen ein allzugrosses Selbst- vertrauen, eine gewisse Ueberhebung an ihm nicht gefällt. Nur so wird es sich erklären lassen, dass Luther ihn einige Male kurzer Hand abfertigen zu müssen glaubt. So fragt Cordatus n. 161, was „con- eupiscentia oculorum* sei. Luther will diese Frage als eine gänzlich überflüssige bezeichnen und antwortet ihm ganz trocken „Es sei nicht nötig noch Wasser in die Elbe zu tragen, sie müsste denn ausgetrocknet sein.“ In n. 1462 erwidert er auf allerlei Klagen, die Cordatus in Bezug auf Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten im Amte vorbringt:

1) Corp. Ref. III, 1500.

2) n. 390 „Cum in Torgaw abiret Cordatus ad Consiliatores principis, qui indicaturi erant de Caussa Zuiccaviana, Dixit Philippus, D. Cordate, ego opto vobis pacientiam non solitam*.

3) Corp. Ref. III, 1500,

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.At tu vis statim esse Magister ac forte laudem quaeris, et ideo sie tentaris!* Melanthon endlich war überhaupt nicht ganz damit einverstanden, dass Cordatus an Luthers Tische Aufzeieh- nungen machte. Er mochte wohl eine nieht ganz berechtigte Neugier oder eine Art von Zudringlichkeit darin erblicken, wenn Cordatus alles, was er hörte, sofort niedersehrieb. So liess er sich denn auch einmal, als Cordatus gerade eine hübsche Aeusserung Luthers über ihn aufgezeichnet hatte, von diesem das Taschenbnch geben, was je- doeh erst auf wiederholtes Drängen geschah. Nun wurde Cordatus auch von Melanthon abgefertigt, und zwar in ironischer Weise. Der praeeeptor Germaniae schrieb ihm nämlich jenes schon mehrfach er- wähnte Distichon (n. 133) in sein Taschenbuch, welches ihm zu Ge- müte führen sollte, dass es tiberflüssig sei alles zu Papier zu bringen, da es auch Dinge gebe, die man versehweigen müsse. Cordatus fühlt den Stich und meint n. 133* „haec ideo volui adseribere, quia valde eonfundebar poetiea Philippi.“

Dennoch spricht sein ganzes bewegtes Leben und seine vielen Sehieksale dagegen, dass es nur Streitsueht, Stolz und Eitelkeit ge- wesen, die ihn getrieben. Denn immer tritt seine Person in den Hinter- grund, wenn es sich um wichtige Dinge handelt. Gut und Blut alles giebt er freudig hin für das Evangelium. Auch bei dem heftigen Handel mit Melanthon versichert er unter den heiligsten Eidschwtiren an Jonas und Melanthon selbst, dass ihn keine Leidenschaft, kein unlauterer Beweggrund, sondern nur die Sache selbst treibe. Wäre jenes der Fall, so solle ihm diese Sünde nie vergeben werden.!) Selbst in seinem Streite mit den Zwiekauern, mag er auch noch so eckig und schroff aufgetreten sein, hat er im Grunde doch nur die Gerecht- same der Kirche und der Geistlichkeit verteidigt.

Im Gegenteil aus seinen Predigten lernen wir ihn von ganz anderer Seite kennen. Da tritt er uns zuerst als ein friedliebender, duldaamer Mann entgegen. „Es heiss schweygen vnd leyden, sagt er Postille II, 254, vnd nachgeben, wiltu vnter den leuten wonen vnd zu zeytten ein guttes friedsames stündlin haben, zu dem ist keiner so gar schön, er hat ein mackelan seinem leybe, darumb heist es, gib mir nach, vber ein kleynes, will ich dir nachgeben, vnd vmbs friedes willen schweygen, das friede sei zwischen dem Mann vnd seiner Frawen, dem Herrn vnd dem Knechte, vnter Burgermeister vnd seinen Burgern, ja auch wol vnter Fursten vnd seinen Vnterthanen. Darumb hat Keyser Friedrich?) ein gut Sprichwort gehabt: -

1) Corp. Ref. III, n. 1560—1507. 2) Wohl Friedrich III. von Oestreich.

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Wer nicht schweygen vnd leyden kann,

Henget nicht eyserne Thtüren an. Vnsers guten freund Vntugend sollen wir wissen, nicht hassen“. Und wie sauer mögen ihm die Zwiekauer einst das Leben gemacht haben, wenn Cordatus Postille II, 156 Folgendes aussprechen kann: „Ich aber sag von heymlichem Weinen, dann das hah ich Cordatus erfahren, das ein Prediger aus grossem vnd Christlichem mitleyden, so er hatte vber ein verstocket vnd grob Volek wider das Euangelium, etlich mal öffentlich inn der predigt weynete, dem sie vnter die Augen sagten, Er wolte den gemeinen Pöfel an sich ziehen vnd eine Auff- ruhr anrichten wider den achtbaren vnd weysen Er (Herrn) Burgermeister vnd einen gantzen Erbaren Rath'*.

Nein Streitsucht, Hoffart und Eitelkeit hat er nieht zur Richt- schnur seines Denkens und Handelns gemacht. Wohl aber zeichnet ihn tiefe Demut aus. „So ist auch gewis, sagt er Postille I, 68, das sich keiner erkennet on durch Creutz Was ich fur ein geselle bin, das wissen andere leute wol von mir, aber ich kenne mich selbs nit, es komme denn der schulmeister vber mich, der mit namen „alles ungluck* heyst, der kan vns auch all zu betten leren*. Aehnliches spricht er Postille IT, 207 aus. Aber das letzte ist das Beste, meint er, das wir vom Zöllner lernen, Gott sey mir sunder gnedig*. Postille I, 56 heisst es dagegen „Ein heiloss tückisch Ding vber alles ist das hertz. Wer kan es ergründen? Ich der Herr kan es er- gründen. Alle Vnart aus dem hertzen fegen heystdas hertz beschneyden. Ja, sagt einer, heyst das hertz beschneyden, so bleib ich wol vnbesehnitten. Den ich hab erfaren, das jeh offt den kleinsten zorn nicht hab mögen auss dem hertzen rotten noeh widerstehen. Lieber, diese Beschneidung ist nieht ein arbeit eines tages, sondern deines gantzen lebens*. Und Luther stellt er endlich hoch tiber sieh. „Das ich aber, sagt er Postille II, 267, so wenig von Christo sage, thue ich darumb, die weyl man besser ding zu lesen hat, als ich mag reden. Denn Doetor Martinus Luther hat vber diesen Psalm ge- schrieben“, vnd Postille II, 100 fasst er sein Verhältnis zu Luther in folgende Worte zusammen ,denn ieh weyss einen anderen meyster, der jhn speiss muss kochen vnd an muss richten, er heist Doktor Martinus Luther. Ich wil ein gesindekoch bleiben vnd dem gemeinen Mann hiemit vnd auch zu andern zeytten, so vil ich kan, mit meinem fleyss dienen*. n. 253 dieses Tagebuches stellt er Luther mit Recht hoch über Johannes

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Huss!), ja n. 138* achtet er Luthers Worte höher als Apollinis oracula?) und Jonas 'antwortet er einmal, er verdiene nur eine , priva- tam ecelesiolam regere*?).

Nach allem diesen aber steht das Bild des Mannes klar vor unserer Seele. Er ist eine zuverlässige. consequente, treue Natur, der es heiliger Ernst ist mit allem, was sie für wahr erkannt hat. Er ist Luther sympathisch und geistig verwandt und ebenso kernig, ebenso energisch und entschlossen, ebenso ktühn und furchtlos, ebenso trotzig, aufbrausend und hitzig wie dieser. Als die Stimme des Wittenberger Mönches auch bis ins ferne Ungarland dringt, schliesst er sieh freudig der religiösen Bewegung an, er verliert ein einträgliches Amt, sein Hab und Gut, zwischen finstern Kerkermauern erwartet er qualvollen Tod. Das Mitleid des Wüchters verhilft ihm zur Freiheit. Nun isst er das Brot der Armut und Verbannung, ruhelos wandert er lange von einem Orte zum andern, unstát und flüchtig, und als er endlich eine gesicherte Existenz gefunden hat, da sind die Tage der Mühe und Arbeit, der Not und Entbehrung, des Streites und des Kampfes viel zahlreieher als die des Friedens und der Freude. Seinem Namen Cordatus hat er in Wahrheit Ehre gemacht.

Folgende Schriften hat Cordatus hinterlassen: 1. Ursache, warumb Ungarn verstört ist vnd jetzt Oesterreich bekrieget wird. Zwickau 1529. 2. Vorrede vor Mich. Celii Vorlegung neuer Irrthumb vnd Schwermerey. Wittenberg. 1534. 3. Eine deutsche Postille, Predigten enthaltend, die Cordatus im Jahre 1534 in Niemegk gehalten hat. Mit einer Vorrede von Melanthon in 2 B. herausgegeben Nürnberg 1554.

Ferner hat Kolde*) in neuester Zeit mehrere Briefe des Cordatus aus einer Wolfenbtütteler Handschrift) bekannt gemacht, die sich auf seinen Streit mit Melanthon im Jahre 1536 beziehen. Aueh sonst ist noch Handaehriftliehes von Cordatus vorhanden, dessen Benutzung mir jedoch nicht möglich war. Zu Niemegk, Stendal, Eisleben, wo er geweilt hat, hat sich nach den Mitteilungen, die mir auf mein Befragen gemacht sind, nichts erhalten, aber im Ratsarchiv zu Zwickau

I) , Cum ego dixissem, ipsum longe plura efficere contra Papam, quam Huss otc."

2) ,— et laudet mecum verba Lutheri magis quam Apollinis oracula (so ist wohl statt miracula, welches die Handschrift bietet, zu lesen) Verba inquam non tantum illa seria et theologica, verum etiam in spetiem ludicra et levia *.

3) Corp. Ref. III, 1500 „me, inquam, quem privatam ecclesiolam regere oporteret ^.

4) Analecta Luth. Gotha 1883. S. 264 ff.

5) 11, 10 eod. August. fol.

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liegen unter dem Titel: Pfaffensachen wegen Laurentii Sorani, Predigers ff. noeh eine Reihe von Briefen von ihm, die jedenfalls seinen Streit mit den Zwiekauern angehen!) Endlieh finden sich, wie bereits oben erwähnt ist, in der Königl. Bibliothek zu Berlin zwei Originalbriefe von ihm an den Kurbrandenburgischen Kanzler Wein- laub.

Seine gedruckten Schriften sind, wie es scheint, sehr selten geworden. Selbst Göttingen und Wernigerode können nichts davon aufweisen. Im allgemeinen scheint er vom Bücherschreiben nicht viel gehalten zu haben. In der Vorrede wenigstens zu der Schrift: „Ursache, warumb ff, meint er „er sei bisher allen vergeblichen papir- kleekern von Hertzen feind gewesen‘. Diese Schrift, die übrigens für seine Lebensgeschichte wenig bietet, ist in Wolfenbüttel vorhanden, ebenso die für sein Leben und Wirken so wichtige und wegen ihres übrigen Inhalts, auch sprachlich so interessante deutsche Postille, aus der Dr. Schneider in seiner Schrift über Schwenkfeld früher bereits einiges mitgeteilt hat?). Melanthons Vorrede zu dieser Postille, welche wichtige Notizen über Cordatus enthält, ist erst in neuester Zeit aus dem Wolfenbüttler Exemplar wieder abgedruckt, und zwar bei Bindseil in seinem Supplementsbande zum Corpus Reform.?) Die Vorrede end- lich „vor Mich. Celii Vorlegung‘ ff. war nirgend zu bekommen. Auch habe ich sie nieht eitiert gefunden. Nur Seckendorf‘) erwähnt dieselbe, teilt mit, dass sie ebenso wie die Schrift des Celius selbst gegen den damals in Eisleben sich aufhaltenden Apostaten Witzel gerichtet gewesen sei, nennt sie „prolixam* und gedenkt der Be- schreibung einer Scene daraus, die sich während des Colloquiums zu Augsburg 1530 zwischen Eck und Coehlaeus abgespielt habe.

Weit wichtiger aber als alles dieses sind Cordatus umfang- reiche und wertvolle Aufzeichnungen über Luther, die nun- mehr nach Jahrhunderte langer Ruhe das Licht der Welt erblicken.

III. Das Verhältnis der Aufzeichnungen des Cordatus zu den späteren bis jetzt bekannten und gedruckten lateinischen und deutschen Tischreden Luthers.

Hier kommen vor allem in Betracht: Die sogenannten deutschen Tischreden, wie sie in den älteren Ausgaben eines Aurifaber (1566 ff.), Stangwald, Selnececer, Walch ff., sodann in neueren z. B. von

1) Kolde, Anal. Luth. S. 264 Note.

2) Programm der Künigl. Realschule zu Berlin 1860.

3) Phil. Melanth. epistol. etc., quae in Corp. Ref. desiderantur. 1874, S. 360—364. 4) Historia Luther. supplem. ad indicem I. n. XVII.

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Fórstemann und Bindseil Abteil. I—IV, sowie in der Erlanger Ausgabe B. 57—62 vorliegen. Ferner gehört hierher: Ant. Lauter- bachs Tagebuch auf das Jahr 1538, herausgegeben von Seidemann: dann die von Kummer weiland Pastor in Ortrand 1554 zusammen- gestellten Tischreden Luthers, von denen Seidemann in seiner Aus- gabe des Lauterbachschen Tagebuchs in den Noten unter dem Texte eine Reihe vorher unbekannter mitgeteilt hat, endlich die umfangreichen ' Tisehredensammlungen, die Bindseil von 1863—1866 aus einer Hand- schrift des Halleschen Waisenhauses von 1560 (?) und die, welche der Pfarrer Peter Rebenstock zu Eschersheim bei Frankfurt a. Main 1571 veröffentlicht hat. Während der letztere alles bis auf wenige Worte in seiner Ausgabe latinisiert hat, bieten Kummer und Lauter- bach, sowie die hall Handschrift einen ursprünglicheren Text, der wie bei Cordatus lateinisehe Form hat, aber mit vielem Deutsch gemiseht ist). | Von diesen Sammlungen ist die des Antonius Lauterbach die älteste, über welche Seidemann in der Vorrede zu Lauterh. Tagebuch das Nähere mitteilt. Da Cordatus seine Aufzeichnungen mit 1537 schliesst, während Lauterbaehs Tagebueh die von diesem ge- sammelten eolloquia des Jahres 1538 enthält, so ist das Verhältnis, in welchem Cordatus und Lanterbach stehen, klar. Sie haben eben nichts anderes mit einander gemein als dass beide in ühn- licher Weise an Luthers Tische Aufzeichnungen gemacht

1) Die Original-Aufzeichnungen des Nürnbergers Veit Dietrich, von denen n. 1338 dieses Tagebuchs die Rede ist, die neben Cordatus die ältesten sein werden und, wie es scheint, dieselben Jahre umfassen, sind uns, wie bekannt, in einer später zusammengestellten Handschrift der Nürnberger Stadtbibliothek (collecta ex colloquiis) erhalten. Dieses Nürnberger Manuscript ist bis jetzt noch nicht ediert, jedoch bereits von Küstlin für die 2. Aufl. seines Luther nach einer Ab- schrift, die der verstorbene Seidemann davon genommen hat, benutzt. In welchem Verhältnis nun die Aufzeichnungen Veit Dietrichs und die des Cordatus "zu einander stehen, ob sie namentlich einen grüsseren gemeinsamen Kern ent- halten oder nicht, darüber lässt sich, wenn wir auch annehmen, dass die n. 133* von Cordatus ausgesproehene Hoffnung den Thatsachen entspricht, nicht ebcr mit Sicherheit ein Urteil fällen, als bis die Aufzeichnungen beider Männer gedruckt vor- liegen. Nach miindlichen Mitteilungen des Herrn Prof. Kawerau befindet sich die Seidemannsche Abschrift zur Zeit in seinen Händen, um neben anderen in neuerer Zeit ans Licht getretenen urspriinglicheren Aufzeichnungen Lutherscher Tischreden, welehe Köstlin in der Vorrede zu der 2. Aufl. seines Luther, sowie I, 774, II, 487, erwähnt, für die Herausgabe vorbereitet zu werden. Vielleicht werden sich dann aus der Vergleichung der Aufzeichnungen Veit Dietrichs und des Cordatus inter- essante und wichtige Resultate ergeben. Einige Parallelen zwischen beiden vgl. B. 62, 98, 652, 6525, 1555, auch Nachträge und Ber. S. II zu n. 22, 111, 134, Fest- schrift zum Luther Jub. S. 27.

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haben!) Wohl aber ist die prücise und frische Fassung und Form bei Cordatus trotz mancher Flüchtigkeit, trotz der vielfach holprigen Latinität meistens vorzuziehen, ja der ganze Text scheint bei ihm be- sonders in dem eingestrenten Deutsch in noch höherem Grade den Charakter der Ursprünglichkeit zu tragen als bei Lauterbach. Dass Lauterbach und Cordatus einander nieht unbekannt gewesen sind und sich bereits von 1531—1533 in Luthers Hause begegnet sind, geht aus n. 792 dieses Tagebuches (vgl. auch die Noten zu n. 1465, 1270 und 902) deutlich hervor. Denn dieses Gespräch kann nur von Lauter- bach herrühren, der den betreffenden Vorfall aus dem Leben seines Vaters an Luthers Tische erzählte, wo Cordatus ihn hörte, aufzeichnete und in seine Sammlung aufnahm. Selbst Aufzeichnungen über Luther zu machen begann Lauterbach erst 1538, nachdem er von 1533—1537 als Diakonus in Leisnig gewirkt hatte und durch Luthers Vermitt- lung als zweiter Diakonus im Laufe des Jahres 1537 nach Wittenberg zurückgekehrt war. Vielleicht war es grade Cordatus, der ihn dazu angeregt hat. Dieser hatte seine Sammlungen 1587 geschlossen und war im Juli desselben Jahres nach Eisleben übergesiedelt. Am 1. Jan. 1538 beginnt dann Lauterbach mit seinen Aufzeichnungen. „Nunc nemo nos imitatur* sagt Cordatus daher n. 133° ganz richtig in dem grösseren Zusatze, den er bei der Zusammenstellung seines Tage- buehs im Jahre 1537 gemacht hat. Es gab also eine Zeit, wo keine Aufzeiehnungen bei Luther gemacht wurden. Und in der That aus dem Jahre 1537 dürften wohl nicht viele Tischreden Luthers tüber- liefert sein!

Am nächsten von allen Tischredensammlern stehen sich Cordatus und Kummer, dieser wie jener ein Oestreicher und ein Flüchtling um des Evangeliums willen. Es ist merkwürdig fast alle colloquia, die Seidemann aus der Kummerschen Sammlung zum Teil sind es zuvor nieht bekannte bei Lauterbach mitteilt, finden sich auch bei Cordatus! Nicht wenige derselben sind nur von Kummer und Cordatus überliefert. Vgl. n. 348, 385, 392, 393, 395, 408, 431, 482, 442, 444, ° 447, 448, 451, 474, 485, 497, 507, 528, 545, 581, 614 630, 685, 636, 637, 648, 784, 785, 1430, 1484, 1489, 1492, 1493, 1497, 1498, 1571, 1641. Auch kommt Kummer nieht selten in Fassung und Form Cor-

1) Nur einige Male kommt bei Lauterbach Aehnliches vor. Vgl. z. B. n. 31 dieses Tageb. und Lauterb. S. 19, n. 208 und L. S. 71, 72, n. 882 und L. 8. 3, n. 1258 und L. S. 21, n. 1339 und L. S. 179, n. 1160 und 1161 und L. S. 120, n. 1321 und L. S. 123, n. 1571 und L. S 130. An allen diesen Stellen haben wir jedoch niemals dieselben Gesprüche vor uns, sondern entweder bietet Lauterbach nur Aehn- liches in anderem Zusammenhange oder es wird etwas Bekanntes wieder erwühnt und berührt.

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datus sehr nahe wie n. 395, 451, 485, 497, 581, 685, 637, 648 ff. Gleieh- wohl finden sieh auch viele Abweichungen z. B. 408, 442, 528, auch bietet Kummer manches nicht vollständig wie n. 385, 1430, 1497, 1641, während das eingestreute Deutsch bereits weit jüngere Formen zeigt. Letzteres darf freilich nieht Wunder nehmen, da Kummers Tischr. viel spüter zusammengestellt sind. | Viel wichtiger ist aber die Frage nach dem Verhältnisse der Aufzeichnungen des Cordatus zu den späteren umfang- reichen lateinischen und deutschen Tischreden. Was die ersteren anbetrifit, so können die Rebenstockschen fast ganz lati- nisierten Tischr. zum Gegenstande einer weiteren Untersuchung nieht wohl gemacht werden. Denn einesteils stimmen sie mit den Bindseilschen aus der Halleschen Handschr. edierten Tischr. in denjenigen Teilen. welche beiden gemeinsam sind, sachlich fast immer tiberein, andernteils zeigen sie nicht mehr die ursprüngliche Form. Ferner wimmelt der Text bei Rebenstock derartig von Fehlern, dass die Benutzung dieser Sammlung erschwert wird. Endlich bietet Rebenstock fast niehts, was nicht bei Bindseil zu finden wäre, während die Hall. Hdschr. und dies scheint noch lange nicht genug gewürdigt zu sein eine grosse Menge von Gesprächen überliefert hat, von denen bei Rebenstock keine Spur zu finden ist. Im allgemeinen haben Cordatus und die späteren latei- nischen und deutschen Tischreden sehr vieles gemeinsam überliefert. Eine Menge Gespräche finden sich in allen drei Sammlungen. Alsdann hat Cordatus vieles aufgezeichnet, was nur bei Bindseil und Rebenstock vorkommt, in den deutschen Tischr. dagegen fehlt. Eine vollständige Aufzählung aller dieser eolloquia würde zu weit führen.!) Interessant ist es jedoch zu be- obaehten, dass aueh von denjenigen Tisehreden, die sich nur in der Hall Hdschr., nicht aber auch zugleich bei Rebenstock finden, sehr viele bereits von Cordatus aufgezeichnet wurden. So bieten z. B. Cordatus und Bindseil allein folgende Absütze: n. 387, 509, 599, 618, 623, 624, 625, 681, 682, 729, 732, 736, 770, 829, 838, 839, 840, 841, 842, 891, 894, 954, 999, 1000, 1019, 1052, 1101, 1130, 1153, 1184, 1186, 1187, 1188, 1189, 1190, 1191, 1192, 1193, 1194, 1247, 1314, 1349, 1473, 1474, 1508, 1514, 1527, 1528, 1550, 10670, 1673, 1768 ff. Anderseits ist aber die Menge derjenigen Gespräche noeh viel grösser, die nur bei Cordatus und in den deutschen Tisch- reden erhalten sind, wührend sie in den lateinischen fehlen.

1) Vgl. darüber die Noten unter dem Texte der einzelnen Abschnitte.

90 .

Hierher gehören z.B. n. 7, 8, 9, 10, 15, 16, 17, 22. 50, 74, 75, 87, 93, 94, 100—102, 106, 108—111*, 124, 127, 131, 132, 134, 145, 146, 147, 158, 159, 164, 169, 195, 244, 245, 254, 255, 256, 258, 266, 291, 301, 302, 307, 308, 310, 320, 321, 357, 358, 370, 406, 416. 417, 418, 420, 436, 439, 440, 453—450, 461, 470, 473, 479, 481, 486, 487, 488, 505,

508, 512, 513, 519, 525, 536, 550, 555, 568, 576, 586. 587, 588, 589,

653, 661, 686, 689, 691, 700, 709, 711, 719, 725, 737, 738, 742, 809, 828, 847, 848, 855, 858, 859, 875, 877, 885, 938, 994, 1002. 1006, 1034, 1040, 1044, 1047, 1102, 1118, 1125, 1137, 1138, 1139, 1182, 1185, 1228, 1270, 1284, 1292, 1310, 1311, 1316, 1322, 1323, 1326, 1327, 1328, 1346, 1361, 1362, 1367, 1369, 1381, 1382, 1406, 1407, 1416, 1429, 1431, 1432, 1442, 1443, 1444, 1445, 1446, 1447, 1448, 1449, 1450, 1495, 1500, 1513, 1551, 1553, 1550, 1563, 1564, 1567, 1570, 1603, 1610, 1612, 1657, 1658, 1666. 1710, 1766, 1809 und viele andere.

Es würde sich nun fragen, wie sich im einzelnen das Verhältnis gestaltet, iu welchem Cordatus zu den lateinischen und deutschen Tischreden in den gemeinsam überlieferten Teilen steht.

In vielen Fällen ist die Fassung der lateinischen und deutschen Aufzeiehnungen eine ähnliche. Diese Aehnliehkeit geht freilich fast niemals so weit, das man von einer wörtlichen Uebereinstimmung der lateinischen Tischr. sprechen oder behaupten könnte, dass ein Absatz der deutschen Tischr. eine getreue Uebersetzung eines zu Grunde liegenden lateinischen Textes sei. Gleiehwohl vgl man n. 352, 413, 415, 449, 467, 502, 577, 603, 676, 681, 690, 691, 696, 702, 720, 729, 754, 771, 777, 840, 842, 849, 878, 890, 909, 926, 927, 938, 951, 962, 996, 1009, 1036, 1151, 1182, 1236, 1267, 1299, 1353, 1412, 1453, 1459, 1559, 1575, 1587, 1629 ff. In der That in allen diesen Füllen bieten entweder die lateinischen oder die deutschen Tisehr. naeh Form und Inhalt Aehnliches wie Cordatus.

Ferner sind die lateinischen und deutschen Tischr. deshalb für ung von Wert, weil sie nicht selten in richtiger Weise Personen als solche bestimmt angeben, die bei Cordatus entweder nur mit Anfangsbuehstaben oder unbestimmt bezeichnet sind. (Vgl. z.B. n. 376, 378, 379, 412, 414, 565, 674 ff). Auch giebt der Text der späteren Tischr. nicht selten die Mittel an die Hand ältere wohl schon bei der Aufzeichnung selbst oder bei der Anfertigung der Zellerfelder Hdschr. entstandene fehlerhafte Lesarten sehwererer Art zu emendieren. So konnte n. 513 dieses Tageb. riehtig Danielis statt Raphaelis, n. 406 Hostien statt Hassia, n. 169 cometis statt poetis, n. 538 lupanar statt lacunar, n. 110 sphaeram statt speram und mensa statt me se hergestellt, auch hier und da eine kleine Lücke mit Htülfe der spät. Tischr. ausgefüllt werden.

3l.

Im übrigen lásst sieh aber kaum ein grósserer Gegensatz denken als der, welcher zwischen Cordatus und den späteren Tischr. in dem gemeinsam tiberlieferten Stoffe im einzelnen besteht. Die- jenigen, welche die lateinischen und deutschen Tischr. zusammengestellt haben, erlaubten sieh dabei die grössten Willkürliehkeiten. Sie rissen die ursprünglichen Aufzeichnungen auseinander, ordneten den Stoff unter allgemeine Kategorien und versahen die einzelnen Abschnitte mit Inhaltsangaben. nicht selten unter Auslassungen und Verschweigen wichtiger Data und Fakta. In besonders reichem Masse ist dies bei der Zusammenstellung der deutschen Tischr. geschehen. Dieses Ver- fahren hat nun aber böse Folgen gehabt. Teils ist früher Zusammen- gehöriges auseinandergerissen (vgl. z. B. die Noten zu n. 210, 211, 404, 494, 588, 649, 849, 882, 983, 1014, 1299, 1479, 1630 ff.),') teils hat es zu überflüssigen Wiederholungen in grossem Massstabe geführt. So stehen wir denn vor der Erscheinung, dass namentlich in den deutschen Tischr. eine Menge (iespräche doppelt vorkommen, ja nicht selten dreimal und öfters (vgl. z. B. die Noten zu n. 443, 558, 601, 843, 860, 1366, 1419, 1675. 1676 ff). In der That die Masse der eigentlichen Wiederholungen ist so gross, dass nach Ausscheidung derselben der Umfang der deutschen Tisehreden wohl auf die Hülfte zu- sammenschmelzen wiirde.

Eine der schlimmsten Folgen eines solehen Verfahrens ist jedoch dies gewesen: Die getrennten und aus der früheren Ordnung gebrachten, alsdann unter allgemeinen Gesichtspunkten geordneten colloquia mussten, da manches nicht zu einander passte, gewissermassen in eine neue Verbindung gebracht werden. Das verlangte die neue Anordnung. So sah man sich denn gezwungen eine Menge Zusätze zu machen, die je nachdem Personen, Zeit, Ort und andere Verhältnisse betrafen. In vielen Fällen wird an der Richtigkeit derselben nicht zu zweifeln sein. Vielfach sind sie aber auch notorisch falsch. Denn vieles reihte man nach dem Gedächtnisse ein, und für vieles hatte man schon bald nach Luthers Tode das Verständnis verloren. So ist z. B. in den deutschen Tischr. nieht selten ein falsches Datum hinzugesetzt. Da Cordatus Aufzeichnungen nur bis 1537 reichen, respektive in diesem Jahre zusammengestellt sind, so kann ja der Inhalt der einzelnen eolloquia niemals auf eine spätere Zeit Rücksicht nehmen. In der That wird bei Cordatus niemals irgend eines Ereignisses oder irgend welcher Verhältnisse gedacht, die einer spä-

—— m

1) Vieles, was bei Cordatus gruppenweise zusammengehürt, ist auch in den späteren Tischr. bei einander geblieben. "Vgl. z. B. n. 801—811, 925—929, 951—953, 951—959, 976 —982, 1131—1135, 1145—11257, 1171—1175, 1420—1424 ff.

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teren Zeit als 1537 angehörten. Dagegen bieten die späteren Tisehr. nicht selten bei gemeinsam überlieferten Gesprächen eine spätere Zeitangabe. Dies ist z. B. der Fall bei n. 602, 748, 789, 848, 1056, 1067, 1125, 1162, 1429, 1493, 1680, 1688 dieses Tagebuches. Aus dem bei Cordatus angegebenen terminus ad quem geht nun aber deutlich hervor, dass diese in den späteren Tischr. mit einem nach 1537 fallenden Datum versehenen Gespräche gleichwohl von Cor- datus vor 1537 gehört und aufgezeichnet sein müssen. Auch lässt sich bei einigen derselben (n. 748, 848, 1262, 1493) ohne weiteres die Unrichtigkeit des Datums beweisen. Bei andern (n. 1056, 1125) ist das Jahr 1538 angegeben. Dann wäre doch wohl zu erwarten, dass diese Gespräche bei Lauterbach zu finden seien, was nicht der Fall ist. Andere (n. 1067, 789, 602) zeigen das verkehrte Datum nur in den deutschen Tischr, während in den lateinischen eine Zeitangabe tber- haupt fehlt. n. 1680 ist in den lateinischen Tischr. verkehrt datiert, während die deutschen eines Datums entbehren. n. 1429 ist das Datum offenbar ein späterer Zusatz. n. 1688 endlich steht in den deutschen Tischr. zweimal, und zwar einmal mit und einmal ohne Angabe einer Zeitbestimmung.

Weniger unschuldig sind nun aber Zusätze folgender Art: Einmal um interessant und pikant zu erscheinen, sodann aus Rücksichten des Geschmacks, endlich um dem Verständnis des Lesers zu Hülfe zu kommen, gab man den Aufzeichnungen eine möglichst breite Fassung und erweiterte den ursprünglichen Text durch allerlei Zusätze, oft bedenklicher Art, und legte somit Luther viele Worte in den Mund, die er niemals gesprochen hat, ja man bekleidete den Text nicht selten mit einer Art von Commentar, und zwar derartig, dass sich in der That in sehr vielen Fällen nicht mehr unterscheiden lässt, was Luther oder seinen späteren Bearbeitern angehört.

Dergleichen Zusätze finden sich in den lateinischen und deutschen Tischreden gradezu massenhaft. Man vgl. vor allem die Noten zu n. 45, 102(), 492, 517, 538, 545, 561(l), 660, 674(l) 752, 753, 760(l, 808, 836, 850, 1020, 1021, 1026(l), 1075, 1080, 1095, 1096, 1098, 1101(!), 1125, 1129, 1144 1153, 1161, 1235, 1236, 1244(l), 1245, 1253, 1286, 1298, 1306, 1344, 1345, 1362, 1366, 1368, 1373, 1374, 1383, 1399, 1409, 1485, 1467, 1561, 1636, 1638, 1647, 1651(!), 1653, 1667, 1676, 1686, 1692, 1695, 1697, 1709, 1721, 1723, 1731, 1738, 1763 ff.

Nicht minder sind es starke Abweichungen nach Form und Inhalt, ja nicht selten gradezu arge Entstellungen, die uns in den späteren Tischreden bei gemeinsam tberlieferten Gesprächen 8o sehr oft entgegentreten. Nicht selten wird der Inhalt eines collo-

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quiums in den lateinischen und deutschen Tischreden erst durch die Aufzeichnung des Cordatus verständlich. Man vgl. z. B. n. 286, 293, 350, 453—455, 530, 566, 573, 671, 725, 739(!), 751(!), 781, 815(l), 824, 929 (!), 932, 945, 947, 980, 1017, 1054, 1055, 1060 1062, 1071, 1082, 1091, 1094, 1106, 1111, 1132, 1139, 1328, 1330, 1408, 1428, 1455, 1468, 1478, 1501, 1513, 1674(!), 1683, 1722, 1724, 1725, 1765, 1768 ff. |

Ueberhaupt weichen die späteren Tischreden von Cordatus nicht selten derartig ab, dass sie bei einem gemeinsam überlieferten Gespräche entweder nur einige ähnliche Gedanken bieten, oder dass die ganze Fassung nur eine dem Gedanken nach ähn- liche genannt werden kann. Beispiele hierfür sind n. 106, 126, 158, 159, 574, 814, 818, 875, 1011, 1050, 1056, 1097, 1147, 1154, 1185, 1222, 1252, 1318, 1327, 1348, 1361, 1594 ff.

Gross ist sodann die Zahl der einzelnen falschen Lesarten, die sieh in den späteren Tischreden finden. Nicht immer ist es Flüehtigkeit oder Nachlässigkeit, welche dieselben hervorgerufen hat. Nieht immer fanden die späteren Herausgeber in den ursprünglichen Aufzeichnungen, die sie ihren Ausgaben zu Grunde legten, Unrichtiges vor. Vielmehr haben sie manches gar nicht verstanden. So wird z.B. n. 146 ein ursprüngliehes imponitur (= deeipere) in den späteren Tischreden mit aufgelegt gegeben, n. 945 heisst es eben- daselbst wahrhaft verblüffend von Maximilian I: „und sehlaehtete, was ihm zuerst begegnete“, n. 1510 steht Hoffmeister statt Hochmeister (), n. 509 „die Käthe am Narrenseil^ statt „der Teufel am N.*, n. 581 Banati statt Bavari, n. 1642 schiess- schläge statt des alten Wortes schirmschläge (= Fechterstreich), n. 1473 Icarium statt Latium, n. 1428 de Venerijs (!) statt Venetijs, n. 1583 in socken statt auff stecken, n. 589 Christus wird bleiben, aus manserem esse (— spurium esse) entstanden (!), n. 704 Schlossbeine statt Schossbeine, n. 803 pulex statt culex, n. 691 Kürass statt Kurusz (= Schar, Haufe), endlich n, 1494 die Mutter Gottes zu Pantano statt putanam (= meretricem) (). Aehnliches findet sich auch an vielen anderen Stellen. Vgl. z. B. n. 74, 75, 630, 684, 779, 811, 880, 945, 9683, 1049, 1137, 1194, 1488, 1571, 1578, 1590, 1674 ff.

Endlich ist die Fassung der deutschen und lateinischen Tisch- reden an vielen Stellen unvollständig, wo Cordatus Voll- ständigeres bietet. So können z. B. folgende Nummern: n. 22, 111, 111*, 111*, 125, 159, 198, 209, 228, 250, 256, 412, 417, 508, 607, 646, 700, 782, 747, 817, 828, 829, 906, 912, 985, 1014, 1035, 1087, 1102, 1104, 1107, 1166, 1167, 1178, 1184, 1211, 1212, 1223, 1248, 1279,

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1287, 1338, 1354, 1431, 1440, 1441, 1480, 1493, 1494, 1497, 1548, 1567, 1571, 1589, 1621, 1646, 1703, 1766 ff. zur Ergänzung des- jenigen dienen, was die späteren Tischreden tiberliefert haben.

Im Gegensatz zu den oben erürterten Abweichungen und will- kürlichen Entstellungen der lateinischen und deutschen Tischreden bietet nun Cordatus Luthers eigene Worte, soweit dies über- haupt bei solehen Aufzeichnungen möglich ist. Fast immer spricht Luther in der ersten Person. Alles macht den Eindruck des ohne Vorbereitung unmittelbar Gesprochenen und sofort Nieder- geschriebenen. Daher die vielfach abgerissenen Sätze, das Sprung- hafte und Unvermittelte in der Verbindung der Gedanken und Sätze, der blosse Hinweis auf damals bekannte Personen, Verhältnisse, Ereignisse, daher die oft holprige Latinität, die vielen einzelnen, für den Sprach- forscher interessanten deutschen und lateinischen Wörter, Wortformen und Wendungen!), die nicht selten der Sprache des gewöhnlichen Lebens entnommen sind. Originell wirkt dabei der stete Wechsel zwischen deutscher und lateinischer Form, wobei die Hauptgedanken sehr oft in die deutsche Form gekleidet sind. Ueberall merkt man, wie der Aufzeichnende das Bestreben gehabt hat, das eigentlich Wichtige in

1) Man beachte z. B. Urstend n. 688, eyblumenrauch 1835, bett- riss 685, seiglocher 1531, altensteiss 28, hutzig 1713, wilkropp 660, convasaverant 1200, putana 1494, weiglen 660, gratitudo 1135, wige- nachten 688, kurusz 691, toxicare 1835, pofel236, drumen 127, scoria 140, temmen 166, caussarii 174, ausgeschoren 171, luctarius 243, volpre- tig 856, schottenó (— Steuerpfennige) 853, nobl (= Goldpfennig) 853, schnallen (— schnellen) 1125, hanswurst 1082, prattzirn 1075, broselim, brosim- lin 1479, bruci 1484, hastiludium 1126, fotze 1494, verziehen auf 1471, das kurz spielen 1474, schindleich 1111, solchen (= sulchen d.h. ver- salzen) 1429, soler 845, beheimerwald 1455, der zitz 1460, reusze (= Sieb- geflecht) 1399, Schlauraffenland 1428, rottkelgin 1579, schurreysen 873, hum pler (= Pfuscher) 1353), westerhembdlin 1371, knutl 1384, elltisz 1595, weyssen Reissen (= Weissrussen) 1296, girare 1330, vertumnus 1330, zwicken (= piepen) 1579, schartens 1252, teyler 1280, mulden 1280, eine gute seche borgen 1284, leucken 1063, kandel 1061, meltzen 1022, emessen 1611, ubers seil werfen 1232, einem ein stein in gartten werffen 1235, scheblich 912, braseator 891, braseare 954, spitlmeister (= spitalmeister) 1753, anfart 1700, klopper 1613, discus (= Schüssel) 1579, zersz (= penis) 1494, wandelwertig 258, sartorium 307, calcearius 307, aher 1766, rosz- tauschen (= betrügliehen Pferdehandel treiben) 1097, kodenboden 1766, pfarner216, scheisskachen 240, mictirismus 830, sperlich 805, fiddern 802, ring (== gering) 788, sincken (= einen Schacht treiben) 779, devotarius 7607, fastinacht 749, die gedencken 750, gemosz 747, sieh nerren mit 141, heckenreiter 740, geheyen 751, plintzen 719, die staupe (= pranger) 658, ein post 629, sein rechnung in der Hand machen 554, die steltzen bestreichen 531, mineralia (= Bergwerke) 352, und vieles andere.

$5 frischer und klarer Form und Fassung zu fixieren. In der That man darf sagen, auf den Aufzeichnungen des Cordatus ruht der Geist Luthers naeh Form und Inhalt!

Es waren ruhigere Jahre, in welche diese Aufzeichnungen fallen. Naeh den gewaltigen Aufregungen der vorhergehenden Zeit war Ruhe für Luther ein wohlthuendes Bedürfnis. Auch sein kürperliehes Be- finden hatte gelitten und litt noch. Er fühlte sich matt und mtde, mit Undank belohnt, wünschte oft abzuscheiden und glaubte das Ende aller Dinge nahe. So nahm denn seine Wirksamkeit nach aussen ab, und aufreibende kirchliche Kämpfe blieben ihm längere Zeit fern. Er konnte sich ganz dem Verkehr mit seinen Tischgenossen widmen, nachdem er die Sache des Evangeliums durch die Erfolge des Augs- burger Reichstages und dureh den Nürnberger Religionsfrieden sicher gestellt sah. Da fliesst nun von 1531— 1583 der Strom seiner Rede dahin, und in weleher Fülle! Da giebt es wohl kaum ein Gebiet des religiösen, politischen und socialen Lebens, welches er nicht behandelt! So ist auch viel von seinem damaligen körperlichen Befinden bei Cordatus die Rede. Dahin gehören die n. 46, 453, 547, 556, 579, 642, 685, 714, 759, 1300-1302, 600, 1137, 1186—1192, 1248, 1276, 1282, 1880, 1389, 1671, 1736, 1840. Ferner spricht Luther vom nahen Welt- antergange n. 865, 951, 952, 953, 548, 549, 551 ff. Gesetz und Evangelium, Glauben und gute Werke, der Teufel mit seinen Anfechtungen, Gott und sein Wort und seine Werke, Christus mit seiner Gnade, .Predigtamt und Prediger, Gebet, Juden und Türken, Könige und Fürsten, Reichstage, der Papst und die Papisten, Ebe, Frau und Kinder, die Welt mit ihrer Art, das ewige Leben, Tod und Verdammnis alles dieses zieht in buntem Wechsel an uns vorüber in zahlreichen Gesprächen!

Freilich sind es nicht immer Luthers eigene Worte, was wir in diesem Tagebuche lesen. Manches hat Cordatus selbst hinzugefügt zur Einleitung und Orientierung. Meistens sind es nur wenige Worte, oft nur das Notwendigste. Vgl. z. B. n. 22, 32, 35, 38, 55, 62, 63, 66, 14, 75, 281, 403, 414, 423, 557, 565, 568, 602, 689, 719, 727, 750, 705, 708, 802, 824, 971, 1240, 1460, 1481, 1482, 1491, 1548, 1549, 1561, 1562, 1563, 1566, 1576, 1583, 1597, 1601, 1606, 1607, 1608, 1609, 1612, 1887 ff.

Manche Absätze sind sogar als eigener Bericht des Cordatus aufzufassen. Dahin gehört n. 31, 50, 57, 84, 111*, 111^, 115, 116, 183, 138*, 161, 162, 1190— 1192, 1484 ff. Hin und wieder taucht auch einiges auf, was Cordatus nieht selbst gehürt und aufgezeichnet hat. So wird er das n. 1442—1449 mitgeteilte Schreiben an Brenz von Melanthon empfangen haben, ebenso die Nachschrift dazu (n. 1450) von Luther. Für n. 1190—1192 ist Jonas vielleicht sein Gewährs-

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mann, n. 792 endlich hat er einen Vorfall, den Lauterbach an Luthers Tisehe erzühlte, in seine Sammlung aufgenommen.

Auch dadurch wird der Wert seiner Aufzeichnungen nicht im geringsten beeintrüchtigt, dass eine Reihe von Gesprüchen gleichen oder ähnlichen Inhalt haben. Man vgl z. B. n. 45 und 1404, n. 65 und 1357, n. 80 und 1715, n. 113 und 1062, n. 104 und 1439, n. 125 und 1060, 1061, n. 340 und 1356, n. 344 und 1464, n. 259 und 1293, n. 620 und 1365, n. 40 und 1409, n. 552 und 1267, n. 355 und 1411, n. 357, 358 und 1412, n. 521 und 1124, n. 450 und 038, n. 33 und 1408, n.1359 und 1437, n. 750 und 1620. Keinesweges handelt es sich hier um Wiederholungen im eigentlichen Sinne. Einige Male ergänzen sieh diese Gespräche wie n. 118 und 1062, n. 40 und 1409, n. 33 und 1408. Oefters giebt die an erster Stelle genannte Nummer Vollständigeres als die zweite (vgl. n. 65 und 1357, n. 344 und 1464, n. 995 uud 1441, n. 750 und 1620, n. 357, 358 und 1412, n. 620 und 1865) Zuweilen sehliesst sieh der Inhalt der zweiten Nummer enger an die späteren Tischreden an, wie bei n. 259 und 1293, n. 522 und 1267, auch bei n. 620 und 1365, wührend bei n. 125 und 1060, 1061, n. 1359 und 1437, n. 104 und 1439 wohl an zwei verschiedene Redak- tionen desselben Inhalts zu denken ist Stets aber zeigen die Ab- schnitte mehr oder minder abweichende Form. Mit Ausnahme von n. 113, 1359 und 1437 kommen sie alle auch in den lateinischen und deutschen Tischreden vor, n. 450 und 638, n. 40 und 1409 ebenfalls mehrere Male.

In den meisten Fállen werden diese Wiederholungen so zu erklären sein, dass Luther sich mehrere Male über denselben Gegen- stand in Gegenwart des Cordatus ausgesprochen hat. Dazu konnte der Inhalt von n. 125 und 1060, 1061, n. 450 und 638, n. 259 und 1293, n. 344 und 1464, n. 521 und 1124, n. 552 und 1267, der Inter- esse erregen mochte, wohl Veranlassung gegeben haben. Anders ist aber über eine Reihe weiterer Wiederholungen zu urteilen. Mit Ausnahme nämlich von n. 1781, 1782, 1815 erscheinen von n. 1770 an bis n. 1825 eine Reihe von Abschnitten, die bereits auf den ersten Seiten der Handschrift, sowie auf S. 70—125 derselben in anderer Form und fast immer in vollständigerer Fassung vor- kamen.!) Die Fassung dieser Abschnitte von n. 1770 1825 ist oft sehr gekürzt, stellenweise nur kommen andere Gedanken vor. Die grosse Ánzahl dieser eolloquia es sind ihrer 52 Nummern ferner der Inhalt derselben, berechtigt wohl kaum zu der Annahme, dass Luther es für passend und nötig erachtet habe dieselben Gegenstände

1) Nur n. 1814 und 1818 bieten im Verhältnis zu den entsprechenden n. 271, 271*, 283 eine ebenso vollständige und, wie es scheint, ursprünglichere Fassung.“

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zweimal im Kreise seiner Tischgenossen zu behandeln, sondern es drängt sich die Vermutung auf, dass hier Teile von Aufzeichnungen eines andern vorliegen, die Cordatus in seine Sammlung mit aufnahm, weil einiges darunter vorkommen mochte (vgl. z.B. n. 1815, sowie die n. 1833 1843, die Cordatus allein tiberliefert hat), was ihm selbst aus irgend einem Grunde aufzuzeichnen nicht möglich gewesen war. Es ist also wohl glaublich, dass hier Aufzeichnungen Schlaginhauffens vorliegen, von dem derartige Erinnerungen an Luther bis jetzt nicht bekannt waren. Sagt doch Cordatus n. 133° ganz ausdrücklich, dass er hoffe Veit Dietriehs und Sehlaginhauffens Aufzeichnungen mit den seinigen vereinigt zu haben.

Auch den Vorwurf könnte man den Aufzeichnungen des Cordatus machen, dass sie ebenso wie die späteren Tischreden manches Derbe, für uns Anstössige enthalten. So viel Anstössiges wie die lateini- schen und deutschen Tischreden enthalten sie freilich nicht, aber immerhin genug. Hier dürfen wir sicherlich nicht den Massstab der Jetztzeit anlegen. Luthers Weise ist wahrlich oft keine feine gewesen. Allein er redet die Sprache seines Volkes und seiner Zeit!), und da- mals nahm man an solchen Ausdrüeken nicht allein keinen Anstoss, sondern zählte sie sogar zu den guten Witzen. Treffend sagt Secken- dorf in seiner Gesch. des Luth. IIT, 8 134 darüber „multa verba et dieteria, quae hodie (1694) vilia aut spuria habentur, illo tempore sine turpitudine diei poterant et inter facetias non inhonestas locum habebant. Dergleichen Derbheiten finden sich bei Cordatus z.B. n. 124, 240 und 1773, n. 471 und 476, n. 521 und 1124, n. 538, 655, 729, 763, 858, 1101, 1275, 1381, 1460, 1491, 1494, 1531, 1549, 1597, 1603, 1651, 1674 ff.

Ferner ist Folgendes zu untersuchen: Am Schlusse mancher Absätze finden sich in diesem Tagebuche Zusätze, die ausserhalb der Worte Luthers stehen. Folgende Abschnitte kommen hier in Betracht: n. 33, 120, 133°, 174, 221, 250, 259, 371, 908, 637, 807, 848, 888, 913, 1068, 1076, 1114, 1139, 1285, 1449, 1450, 1481, 1507, 1536, 1561, 1837, 1843. Dass die mit diesen Nummern verbundenen Zusätze?) nicht etwa von einem Abschreiber, sondern von Cordatus selbst herrühren, geht ganz klar aus dem grösseren und so wichtigen Zusatze hervor, der sich n. 133* findet, welcher wie diejenigen am Schlusse von n. 174, 371, 503 erst bei der Zusammenstellung des Tagesbuches 1537 gemacht ist. „Nunc nemo nos imitatur“ sagt Cordatus ferner an derselben Stelle, und

1) Vgl. die Note zu n. 124.

v. 2) Nur der n. 133* und 1843 sich befindende Zusatz bildet eine ganze Nummer sich.

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damit kann er wieder nur sich, Veit Dietrich und Sehlag- inhauffen meinen. Auch der n. 1114 sich findende Zusatz kann nur von demjenigen herrühren, der die eben gehörten Worte Luthers nieder- schrieb, und das ist wieder Cordatus. Die meisten der hier in Frage stehenden Zusätze sind indessen wohl gleich bei der Aufzeichnung des Gehörten oder bald darauf gemacht, namentlich wenn es wie n. 33 heisst „hoc respondebat contra me* oder n. 6937 „hoc ad me dieebat“ ff. Von dem n. 888 stehenden Zusatze ist dies sicher, wie in der Note bewiesen ist!) Im übrigen kónnen auch die n. 120, 807 sich findenden Zusätze wohl kaum einem anderen zugeschrieben werden, als dem, der das eben Gehörte aufzeichnete, während am Sehlusse von n.174, 221, 250, 1507, 1536 auf Dinge angespielt wird, die das eigene Sein und Wirken des Cordatus tief beeinflusst haben. Nur der mit n. 1843 bezeichnete Schlusssatz wird geistiges Eigentum eines Abschreibers sein, um so mehr als sich unter der oben bereits erwühnten Briefsammlung des Cordatus in der Wolfen- bütteler Handschrift cod. Aug. fol. 10, 11 eine ähnliche von einem Ab- schreiber stammende Subseriptio befindet.

Immerhin gehört aber die grosse Masse dessen, was Cor- datus aufgezeichnet hat, Luther an, und dessen Worte sind stets leicht zu scheiden von denen des Cordatus,

Noch ein Punkt würde schliesslich zu erörtern sein. Oben war bereits kurz erwähnt, dass die von Cordatus in Luthers Hause ge- machten Aufzeichnungen, deren einzelne Abschnitte weder Ueber- schriften tragen noch nach allgemeinen Gesichtspunkten geordnet noch mit bestimmten chronologischen Angaben versehen sind, im allgemeinen die Zeit von 1524 —1537 umfassen, und dass die Hauptmasse, wie aus dem Inhalte geschlossen werden kann, in die Zeit von 1531—1533 füllt. Nun ist den einzelnen Absätzen zwar kein Datum wie bei Lauter- bach hinzugefügt, gleichwohl erscheinen nicht selten im Texte selbst eine Reihe von bestimmten Zeitangaben, und zwar nicht nur solche, die auf frühere dem betreffenden Gespräche vorangegangene Ereignisse hindeuten, sondern auch solche, die ganz bestimmt die Zeit an- geben, in der Luthers Worte gesprochen sind. Chronologische Bezeichnungen der ersten Art tauchen n. 338, 342, 569, 631, 1186, auf, während der Text der n. 167, 328, 549, 551, 707, 753, 939, 1235 mit den Zahlen 1581, 1532 und 1533 ganz genau die Zeit angiebt, aus der Luther Worte stammen. Cordatus, der zuerst von allen Aufzeichnungen tiber Luther machte ausdrücklich erklärt er n. 133* selbst: ego viam alijs feei, quod idem auderent begann die-

n a

2) Es betrifft die Worte von tali sententia concepturum.

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selben wahrscheinlich im August 1531. Dies geht aus n. 167 hervor (vergl. oben Note). Wenn man nun eine umfassende Anzahl von Ge- sprächen von ihrem Inhalt aus auf die Zeit prüft, in welcher sie ge- sproehen sind, und diese in Verbindung mit denjenigen colloquiis, die eine bestimmte Zeitangabe in Bezug auf die Zeit des Gesprächs auf- weisen, an einander reiht, so kommt eine, wenn auch öfters unterbrochene ehronologische Reihenfolge zum Vorschein, die höchst wahrscheinlich der Zeit entspricht, in welcher die einzelnen Abschnitte wirklich gesprochen und auf- gezeichnet worden sind. Diese ehronologische Kette würde dann folgende Gestalt gewinnen:

n. 55 (1531), n. 56 (1524 oder 1525), n. 57, 61, 76, 111, 1ll*, Ill? (1581), n. 167 (August 1531), n. 172, 272, 276 —281 (1531), 328 (hoe anno 1531), n. 391 (1534), n. 399, 403, 434 (Herbst 1531), 668, 686, 706 (Sommer 1532), 707 (annus 1582 est mihi elimac- tericus), n. 720 (Sommer 1532), n. 732 (1533?), n. 736, 748 (Som- mer 1532), n. 758 (16. Aug. 1532, die Worte selbst sind wohl etwas später gesprochen), 756 (1532 noch vor dem Tode des Kurfürsten), 764 (1532 bald nach dem Regierungsantritte des neuen Kurfürsten), (15 (1534 oder 1535), 848, 854, 865, 888, 895, 903 (Herbst 1532), 917 (1535), 939 (Die Michaelis 1532, die Worte selbst sind wohl etwas später gesprochen), 951 (Ende 1532), 961 (1533), 969 (Ende 1532 oder Anfang 1533), 977 (1533), 984, 985, 987 (Ende 1532), 1006 (1584 oder 1535), 1020 und 1021 (Ende November 1532), 1068, 1069 (December 1532), 1122, 1134, 1137 (Ende 1532), 1139 (1528 oder 1529), 1179, 1200, 1208 (Ende 1532), 1285 (28. Jan. 1539), 1297, 1248, 1262, 1263 (Anfang 1533), 1285—1282 (Wahrscheinlich vom 28. Jan. bis 12. Febr. 1533), 1300—1302 (Mitte Febr. 1533), 1851 (1536?), 1442—1450 (Mai 1531), 1474 (Frühjahr oder Sommer 1532), 1490 (7. Juni 1532—7. Juni 1533), 1509 (1528), 1550 (Juni 1532?) 1555 (Sommer 1532), 1561 (9. Juni 1532), 1570 (Ende 1533), 1576 (1535), 1582 (Ende 1532 oder Anfang 1533), 1583 (1532), 1591 (1532), 1597 (Ende 1532 oder Anfang 1533), 1599, 1600 (1532) 10606 (Ende Juli 1532), 1607 (12. Juli 1532), 1608 (28. Juli 1532?), 1609 (1532), 1612, 1613 (Spät-Sommer 1532), 1620 (1585), 1683 1684 (Ende 1532), 1721—1728 (1524 oder 1525?), 1731 (Michaelis 1533), 1732 (1533 oder 1535?), 1765 (1534), 1815 (der Vorfall 1531, die Worte sind jedoch später gesprochen), 1835 (1534 oder 1535).

Vom August 1531 bis Februar 1533 lässt sich also für die

—— 20...

1) Ebenso fallen auch wohl die anderen Gespräche, wo von Dürre die Rede ist: n. 1484, 1492, 1493, 1499, 1505, 1506, 1561, 1696 in den Sommer 1532,

4b

Gespräche von'n.1 bis etwa 1400 eine bestimmte chronologische Reihenfolge verfolgen, die bisweilen jedoch durch spüter oder früher fallende unterbrochen wird. Von n. 1400 an lässt sich aber der chro- nologische Faden nicht ununterbrochen weiter ziehen. Die dann fol- genden colloquia gehen wieder zeitlich zurtiek und beziehen sich, ebenfalls mehrfach durch frühere oder später fallende unterbrochen, der Mehrzahl nach wiederum auf das Jahr 1532, jedoch auch diese in einer gewissen Reihenfolge bringend. Mit Recht kann man daher sagen, dass die Aufzeichnungen des Cordatus im grossen und gan- zen der chronologischen Anordnung nieht entbehren, die wohl der Zeit entsprieht, in weleher die Gesprüche aus Luthers Munde kamen.

Nach allem diesen lässt sich das Urteil über Cordatus Aufzeichnungen dahin zusammenfassen: Die von einem Manne wie Conrad Cordatus, dem treuesten Freunde Luthers, in dessen Hause in der erwähnten Weise gemachten umfang- reichen Aufzeichnungen können die grösste Glaubwürdigkeit beanspruchen und enthalten neben manchem andern, was neu ist, nicht allein sehr viele Worte Luthers, die bisher un- bekannt waren!), sondern bieten auch als die ältesten der vorhandenen Aufzeichnungen ftir den grösseren Teil der be- kannten und gedruckten lateinischen und deutschen Tisch- reden bis zum Jahre 1537 die von späteren Entstellungen und Zusätzen freie ursprüngliche Fassung, so dass wir nun- mehr mit ihrer Hülfe im Stande sind, in einem grossen Teile der späteren Tischreden das zu erkennen, was Luther an- gehört oder nicht. Sie sind daher ein höchst wertvolles Ma- terial zur Vervollständigung des Bildes, das wir uns von

1) Als Abschnitte dieses Tagebuchs, die bisher nicht über- lieferte WorteLuthers enthalten, dürften etwa 550—570 zu bezeich- nen sein. Einige von diesen als neu bezeichnete mögen immerhin noch unter dem Wuste der späteren Tischr. versteckt sein. Aut den ersten 150 Seiten desManuscripts findet sich das meiste Neue. Ganz natürlich, da Cordatus ja zuerst anfing Aufzeichnungen zu machen und dies eine Zeit lang allein that. Die bisher nicht be- kannten colloquia pflegen oft gruppenweise aufzutreten. Als neu mögen auf den ersten 200 Seiten der Handschrift folgende Ab- schnitte hervorgehoben werden: n. 1—6, 14, 24, 25, 28, 29, 31, 32, 33, 51—53, 55— 62, 64, 76, 80—85, 88, 91, 97, 112, 113, 115—123, 129, 130, 133, 1338, 137—144, 154—155, 160—163, 166, 167, 172—177, 185, 186, 196, 197, 199—208, fast alle colloquia von n. 212—238, 253, 267, 268, 212—281 (mit Ausnahme von 276 u. 277), 303—306, 312—319, 322—337, 239 (mit Ausnahme der ersten Zeilen), 342, 354, 363, 364, 367, 368, 369, 380, 386, 388—391, 400, 402, 403, 405, 407, 423, 424, 425, 437, 472, 416, 480, 490, 491, 499, 501, 504, 514, 515, 525, 527, 540, 543, 544, 547 ff.

a

dem gewaltigen Manne zu machen haben, auf dessen Sehultern die grosse Bewegung des 16. Jahrhunderts und ihre Entwieklung geruht hat, und eine höchst erfreu- lehe Ergänzung zu dem Tagebuche des Antonius Lau- terbach.

Wie ist es nun, kann man weiter fragen, gekommen, dass diese wichtigen und umfangreichen Aufzeichnungen des Cordatus nicht allein bis auf den heutigen Tag haben unbekannt bleiben können, sondern aueh nieht einmal mit irgend einer Silbe von anderen Tischgenossen Luthere, die ebenfalls Aufzeichnungen machten, wie Lauterbach, Mathesius ff. erwähnt werden? Wie hat es ferner geschehen können, dass Männer wie Aurifaber, Stangwald, Selneccer, Rebenstock, Kummer, so wie der Sammler und Zusammensteller der Hall. Handschrift, Cordatus Namen haben verschweigen können, ohne auf ihn hinzuweisen, der doch für einen grossen Teil des von ihnen herausgegebenen Stoffes thatsächliche Quelle sein musste?

Die Antwort scheint vor allem zu liegen in der lateinischen Vor- rede Luthers zu den 1537 erschienenen „eoneiunculae amieo eui- dam praeseriptae*?) die sich, und zwar wohl nicht ohne Grund, vor diesem Tagebuche des Cordatus in der Zellerfelder Hdsehr. im Originale Luthers findet. In dieser praefatio, die auch Stangwald und Fórstemann und Bindseil ihrer Ausgabe der Tisehreden Luthers haben vordrucken lassen, beklagt sich nämlich Luther bitter dartiber, dass die Wittenberger Freunde während seiner Krankheit in Schmalkalden jene Predigten, die er nicht für den Druck bestimmt gehabt hätte, sondern nur „sub eoena et prandijs effudisse*, veröffentlicht hätten. Unwillig protestiert er gegen dies Verfahren und ruft aus: „rogo tamen per Christum pios meos fures, ne faciles sint ad edendum neque me vivo neque mortuo, si quid vel per insidias me vivo furati fuerint me- arum eogitationum vel me mortuo habuerint iam antea sibi communi- eatum. Iterum rogo, so schliesst er, ut sine me nihil meum edat ullus amieus hoe et eharitas et iustitia requirit."

Diese Worte Luthers wird sich Cordatus zu Herzen genommen

120-2...

1) Nur einmal begegnen wir einer Spur davon. Nach einer Mitteilung des Herrn Prof. Köstlin findet sich in dem Nürnberger Manuscript des Veit Dietrich S. 69 die Notiz: Cordatus exscripsit. Dies bezieht sich auf n. 22 dieses Tagebuches, wozu Veit Dietrich an der angegebenen Stelle eine Paral- lele hat. Auch als Gesprüchsgenosse wird Cordatus in den späteren Tischr. selten erwähnt. Vgl. z. B. Rebenstock I, 28», Bindseil lI, 210, ferner die Noten zu n. 134, 37$, 1406, 1710.

2) Vgl. Festschrift des Gymnas. zu Clausthal z. Luth. Jub. S. 13.

42

haben. _ Er wird eben jener amicus quidam selbst gewesen sein, dem die erwähnten coneiunceulae sub coena et prandio zur Unter- weisung ınitgeteilt waren.) Cordatus war es auch vielleicht, der in seinem Eifer für Luther jene Indiscretion, welche diesen in Harnisch hraehte, beging. Hatte er wirklieh die Absieht gehabt die von ihm gesammelten colloquia einmal später zu veröffentlichen, so wird er naeh Luthers Rückkehr aus Schmalkalden gründlich davon zurlick- gekommen sein, und als im Mai 1537 der Ruf nach Eisleben an ihn erging, hat er höchst wahrscheinlich in aller Eile seine umfangreichen Aufzeichnungen zusammengestellt und geordnet. I,uther schenkte ihm dann das Original der erwähnten praefatio dazu, die er, als er die Zellerfelder Hdsehr. von kundiger Hand hatte anfertigen lassen, seinen Aufzeichnungen als warnendes momento vorangehen liess. Er ist also mit seinen Erben den dringenden Bitten Luthers gerecht geworden. Er hat seine Aufzeichnungen weder selbst herausgegeben noch andern zur Benutzung überlassen und somit im Gegensatze zu andern Freun- den Luthers eine heilige Pflicht gegen diesen erfüllt. Auch für die Zeit nach seinem Tode oder für sonst unvorhergesehene Fälle will er sich sichern: „Qui me invito hee deseribit, tantum tali animo deseribat, quali ego simplici ae candido* ruft er n. 133* aus und deutet damit ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, dass einmal der Fall eintreten könnte, dass jemand seine Aufzeichnungen wider seinen Willen, aber ohne dass er es zu verhindern im Stande sei, abzuschreiben Gelegenheit habe. Als teures Andenken wird seine Sammlung in seiner Familie später aufbewahrt sein, als stete Erinnerung an den Mann, dessen Grösse schon die Mitwelt erkannte, so dass eine Reihe von ernsten und gelehrten Münnern sich gedrungen fühlte jedes aus seinem Munde gekommene Wort naeh den Worten Christi: ,Sammelt die übrigen Brocken, auf dass nichts umkomme*, dureh Aufzeichnung den nachfolgenden Geschlechtern zu erhalten.

Dem gegenüber muss es nun aber wunderbar erscheinen, dass gleichwohl so vieles von den Aufzeichnungen des Cordatus in die späteren Tischreden tibergegangen ist. Wir stehen hier doch vor einer nackten Thatsache, nänılich der, dass wir sagen müssen. die Haupt- quelle für die älteren Teile der lateinischen und deutschen Tischr. ist Cordatus.

Wie ist der Widerspruch zu lösen? Eine direkte Benutzung

1) Vgl. oben die Note, welche Mitteilungen über das Berliner Manuscript der von Sebastian Redlich angefertigten Abschr. einer Tischredensammlung des Cordatus bringt, wo es heisst: ,Conradus Cordatus ad D. M. Lutherum: Reverendissime Domine pater, Lhehret mich Ein kurtze weise zu predigen!

43

des Zellerfelder Manuser. hat niemals stattgefunden. Cordatus und seine Erben haben das wird aus dem Obigen klar sein die Hdschr. anderen zur Benutzung nicht überlassen. Wäre dies geschehen, so würde doch sicher einer der späteren Herausgeber lutherscher Tisehr. Cordatus als Quelle genannt haben. Ferner wäre es doch unbegreifliech, wie einem solchen Herausgeber 550—570 zum Teil sehr interessante und wertvolle colloquia, die bisher noeh nicht tiberlieferte Worte Luthers enthalten, von denen sich auf den ersten 200 Seiten der Hdsehr. fast 200 finden, hätten entgehen sollen, abgesehen von den sonstigen 80 sehr erheb- lichen und zahlreichen Abweichungen, die die späteren Tischr. bei gemeinsam vorhandenen colloquiis im Verhältnis zu Cordatus zeigen.

Wohl kann aber Cordatus als eine indirekte Quelle für die älteren Teile der späteren Tischreden betrachtet werden. Er sagt ja n. 183* „imo viam alijs feci, quod idem auderent, maxime Vitus Theodoricus et Joannes Turbicida ete." Cordatus hat also zuerst und eine Zeit lang allein, dann in Gemeinsehaft mit anderen Aufzeich- nungen gemacht. Unter diesen waren Veit Dietrich und Joh. Sehlag- inhaufen, deren Aufzeichnungen Cordatus nach n. 133* mit den seinigen vereinigt zu haben hofft. Von den Aufzeichnungen des letzteren wissen wir so gut wie nichts, desto mehr aber von den bereits öfters genannten Aufzeichnungen Veit Dietriehs. Dieser sowohl wie Türbicida und auch andere, die Cordatus nieht mitNamen nennt, haben also eben- falla Aufzeichnungen tiber Luther, und zwar zugleich mit Cor- datus gemacht. Denn sonst könnte es n. 188* nicht heissen: ., nune nemo nos imitatur". Aus den Aufzeichnungen dieser Männer, die vieles mit Cordatus zugleich aus Luthers Munde hürten und aufzeiehneten, ist dann ein grosser Teil von Veit Dietrichs Aufzeichnungen wissen wir dies gewiss, in die lateinischen und deutschen Tisehr. enter starken Aenderungen übergegangen. Unter ihnen muss sich auch jemand befunden haben, der ebenfalls zugleich mit Cordatus, wenn auch wohl seltener, Aufzeichnungen machte, die Kummer dann später, ohne vieldaranzuändern, in seine Sammlung aufnahm. So kann man also Cordatus in seiner ursprünglichen Fassung sehr wohl als eine indirekte Quelle für die älteren Teile der späteren Tischreden ansehen.

Es erübrigt noeh der Grundsätze zu gedenken, die mich bei der Herausgabe dieses Tagebuches geleitet haben. Der Text ist, wie tiblich, mit seinen Fehlern abgedruckt. Die Emendationen und Emendationsversuche sind in den Noten mitgeteilt. Die einzelnen Ab- schnitte des Textes sind aus praktischen Rücksichten mit fortlaufenden Nummern versehen. Stillschweigende Verbesserungen habe ich nur dann im Texte vorgenommen, wenn es sich um so geringfügige

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Versehen handelte, dass deren Constatierung und Verbesserung keinen Wert hatte. Eigennamen und solehe Würter, dureh welche im allgemeinen ein Hinweis auf den Inhalt des Abschnittes gegeben wird, sind gesperrt gedruckt. Ebenso ist die oft willkürliche Inter- punktion da, wo sie falsch war oder zu Missverständnissen Ver- anlassung geben konnte, berichtigt worden. Die zahllosen Compen- dien sind meistens aufgelöst. Nur da habe ich sie im Texte beibe- halten, wo sie selteuer und ungewöhnlicher waren oder unter Umständen auch eine andere Auflösung als die von mir gegebene zulassen konnten. An der Orthographie habe ich nicht gerüttelt. Auch wenn sie unrichtig war, mir aber etwas Charakteristisches zu enthalten schien, wie z.B. die Schreibart Absolon, Ammon ete, habe ich es nicht für nötig gehalten darüber in den Noten etwas mitzuteilen. Endlich ist im lateinischen Texte nicht selten bei Wörtern, die nicht nomina propria sind, ein kleiner Anfangsbuchstabe gebraucht worden, wo der Schreiber des Manuseripts sich mitten im Satze eines grossen Anfang- huehstabens, der den Leser nur zu stören geeignet sein würde, ohne allen ersichtlichen Grund bedient hat.

Was dann den Commentar betrifft, so habe ich mich im all- gemeinen bemüht alles zu erklären, was der Erklärung bedürftig zu sein schien. Vielleicht bin ich darin etwas zu weit gegangen. Allein manche Note wird für den, welcher auf diesem Gebiete nicht Fach- mann ist, von Wert sein, sei es auch nur um dem oft schwierigen verständnis zu Hülfe zu konımen. Manches wird ja in den heutigen Commentaren, was wirklich der Erklärung bedürftig ist, kluger Weise dem Leser tiberlassen, manche andere Erklärungen werden für unnötig gehalten, weil der betreffende Kritiker dieselbe Erklärung aufgestellt haben wtirde und daher der Ansicht ist, sie sei selbstverständlich. Ob indessen ein solches Verfahren das richtige ist, steht dahin.

Ich weiss nun sehr wohl, dass ich mit meinen Erklärungen nicht immer das Richtige getroffen habe. Manche Stelle wird vorläufig über- haupt dunkel bleiben. Allein man möge auch bedenken, unter welchen Umständen dieses Buch herausgegeben ist. Es ist wahrlich keine Kleinigkeit neben ziemlich umfangreichen Amtsgeschäften, die nicht vernachlässigt werden dürfen, Jahrelang ohneirgend eine Ent- lastung und ohne im Zusammenhange arbeiten zu können ein derartiges Buch zu vollenden. Dazu kommt, dass es schwierig war am hiesigen Orte die nötige Litteratur zu beschaffen. Glücklicherweise bot die Calvoeriana manches Wertvolle. Gleichwohl habe ich Wichtiges nur nnvollständig oder vorübergehend benutzen können wie 7. B. das Corpus Ref. und die Lutherbriefe von de Wette und Seidemann. Ueber- haupt war die Arbeit an sich mit grossen Schwierigkeiten verkntipft,

45

die teils dadurch erhöht wurden, dass manches, besonders Theologisches, erst der Vorbereitung meinerseits bedurfte, teils dadurch, dass es auf diesem Gebiete wenig Vorarbeiten gab.

Sehliesslich drängt es mich allen denjenigen meinen besten Dank zu sagen, die mich bei der Herausgabe des Cordatus mit Rat und That unterstützt haben, insbesondere meinem hiesigen Collegen Herrn Oberlehrer Dr. Polich für bereitwilligst geleistete Htülfe bei der Korrektur der Druckbogen und für viele wertvolle sachliche Bemerkungen, ferner den Verwaltungen und Vorständen der öffentlichen Bibliotheken za Göttingen, Halle,Berlin, Wernigerodeund Wolfenbüttel, den Herrn Superintendenten Meyer in Burgdorf und Grosse in Markoldendorf, sowie den Herren Professoren Köstlin in Halle, Kawerau in Magdeburg und Wagenmann in Göttingen, dem Herrn Pastor Frantz in Capelle bei Zörbig und dem Herrn Geh. Justizrat Prof. Dr. Mejer, dem jetzigen Praesidenten des Landeskon- sistoriums in Hannover.

Somit übergebe ich dieses Buch der Oeffentliehkeit mit dem herz- lichen Wunsche, dass es dazu beitragen möge das Andenken an den Mann wach zu halten „aus dessen grossem Herzen eine Fülle von Segen in das Leben seiner Nation eingeströmt ist“.

Clausthal am Morgen des Sedantages 1885.

H. Wrampelmeyer.

—————————— —— A ——

e o X

Verzeichnis der am meisten benutzten Werke.

. Allgemeine deutsche Biographie. Exemplar der Oberberg-

amtsbibliothek zu Clausthal.

Biblia saera vulg. editionis ed. Leander van Ess. Tübingen 1824.

Brant, Seb. Narrenschiff, herausg. von Zarneke. Leipzig 1854. Büchmann. Geflügelte Worte. XI. Aufl. Berlin 1879. Büchner. Biblische Real und Verbal-Handeoncordanz. 6. Aufl. Halle 1840. | |

Cordatus, Conrad. Auslegung der Evangelien an Sonntagen ff. Sampt einer Vorrede Phil. Melanth. Nürnberg 1554. 2.B. Exem- plar der Herzogl. Bibliothek in Wolfenbtüttel. | Cordatus. Ursache, warumb Vngarn verstört ist und jetzt Oestreich bekriegt wird. Zwickau 1529. Exemplar der Herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttel.

Corpus Reformatorum ed. Bretsehneider. Halis Sax. 1834 sq. Dietz. Wörterbuch zu Dr. Mart. Luthers deutschen Schriften. B. 1. Leipzig 1870.

. Du Cange. Glossarium ad seriptores mediae et infimae latinitatis.

Francofurti ad Moenum 1710. Exemplar der Calvoeriana.

. Desid. Erasmi colloquia. Amstedolani apud Westenios. Ohne

Jahreszahl. In meinem Besitz.

. Evers. Katholiseh oder protestantisch. 3. Aufl. Hildesheim 1881. . Förstemann. Neues Urkundenbueh zur Geschichte der evangel.

Kirehenreformation. Hamburg 1842.

. Götze. XIV. Jahresbericht des Altmärk. Vereins für vaterländische

Geschichte ff. Salzwedel 1864.

. Götzinger. Reallexikon der deutschen Altertümer. 1. Auflage.

Leipzig 1881.

. Heinsius. Volksthümliches Wörterbuch der deutschen Sprache.

Hannover 1818.

47

. Herbst Eneyelopädie der neueren Geschichte. Lief. I-—XXV,

Gotha 1880 sq.

. Herzog und Plitt. Real-Eneyelopädie für protest. Theologie. . Hoffmann von Fallersleben. Gesch. des deutschen Kirehen-

liedes. 3. Ausg. Hannover 1861.

. Janssen. Gesch. des deutschen Volkes seit Ausgang des Mittel-

alters. B. I—IV. Freiberg 1876—1885.

. Kolde. Martin Luther. Eine Biographie. 1883.

. Kolde. Analeeta Lutherana. Gotha 1888.

. Kóstlin. Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften. 2. B. 2. Aufl. Elberfeld 1883.

24. Köstlin. Luthers Leben. Mit Illustrationen.

. Kummer. Tischreden Luthers, herausgegeben v. Seidemann in

den Noten zu Lauterbachs Tagebuch.

. Kurtz. Lehrbuch der Kirehengeschichte. Mitau 1868. . Lauterbaeh, Ant. Tagebuch auf das Jahr 1538, herausgegeben

v. Seidemann. Dresden 1872.

%, Lilieneron. Die hist. Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16.

Jahrh. Leipzig 1867.

. Luther Briefe, herausgegeben von de Wette und Seidemann.

B.I—V. 1825—1826. B. VI v. Seidemann 1856.

. Luthers Werke, herausg. von Walch. Halle 1739—1750. 24 B.

Exemplar der Calvoeriana.

. Luther. Deutsche Tischreden, herausg. von Fürstemann und

Bindseil Abt. I—IV. Leipzig 1844, 1846. Berlin 1848.

. Lutheri eolloquia latina ed. Bindseil I—III. Nach der hall.

Handschrift herausg. Lemgoviae et Detmoldiae 1868—1860.

. Lutheri colloquia lat. ed. Rebenstock. II. B. Francofurti ad

Moen. 1571. Exemplar der Gräfl. Bibliothek zu Wernigerode.

J4 Luthers Werke. Franefurt und Erlangen. 67 B. Deutsche Tischr.

p. 57—62.

. Luther. Opera lat. In der Erlangen-Francf. Ausgabe.

Mathesius. Von des Ehrwürdigen in Gott Seligen ff. 1. Predigt, 2. ff. Nürnberg 1507.

37. Müller und Zarneke. Mittelhochdeutsches Wörterbuch. I— III.

Leipzig 1863.

. Myeonius. Ref. Gesch., herausg. von Cyprian. Gotha 1715. 3. Ranke. Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. 6. B.

4. Aufl. Leipzig 1807.

. Sehleusner. Luther als Dichter. Eine Jubiläumsgabe. Witten-

berg 1883.

. Sehmeller. Bairisches Wörterbuch. I—IV. Stuttgart und Tübingen

1827—1837.

48

42, Seckendorf. Historia Lutheranismi. Lips. 1694. Exemplar der Calvoeriana. 43. Sleidani de statu Rel. et Rep. Carolo quinto imp. Commentarii. . . Franeof. ad M. 1568. Exemplar der Calvoeriana. 44. Wackernagel. Das deutsche Kirchenlied. 45. Weigand. Deutsches Wörterbuch. II. B. Giessen 1878. 46. Zeitschrift des Harz-Vereins für Gesch. und Altert. XIV. Jahrgang. 47. Zinkgref. Apophthegmata. Leipzig 1693. Exemplar der Cal- voeriana. | Ausserdem sind benutzt worden Raumers Gesch. der Pädagogik, Menzel, Gesch. der deutschen Dieht, die Litt. Gesch. von Wacker- nagel, der Grundriss zur Gesch. der deutschen Dicht. von Gödecke, das Universallexikon von Zedler, sowie das Gelehrtenlexikon von Jöcher.

Motto: Porro qui me invito hec describit. tautum tali animo describat, quali ego simplici ac candido, et laudet

| mecum verba Lutheri magis quam Apollinis miracula, Verba inquam non tantum illa seria et (heologica, verum etiam in speliem Iudrica et levia. Cordatus Tagebuch p. 53.

l.

[1] Quando Deus verbum suum predieat, addit rem, ut verbum intelligatur. velut eum predieat erueem sequi verbum, [deo statim post auditum verbi erucem experiuntur pij, Ita praedieata fide, et quod fidem boni fruetus sequantur, fieri non potest, ut fide quis iustus sit, et bona opera non faeiat suo tempore, Et nisi hoe fieret, verbum Dei nemo intelligeret, faetum enim vere exponit verbum. Hoe vult Christus quum dicit!) Hec dixi vobis, ut eum faetum fuerit credatis.

1) Joh. 13, 19, vergl, 16, 4. Erl. A. 57, 16, p. 635 d. M.

9

Praeeeptorem (quod tamen libenter vellem) non fecit Deus, sed vult Oratorem.

3.

Omnia peccata spiritualia impetunt sanetifieationem nominis Dei, ut si!) putet se eolere Deum Sanctus, qui in vana religione agit aut operatur seeundum traditiones hominum, aut qui falsum iuramento per Deum eonfirmat, aut qui per verba Sathanae falsa docens iaetet et iuret se veritatem Dei docere, Peecata autem corporalia non sie, Latro enim oeeidens, aut luxuriosus adulterans, non sie peecat, sed sequitur Sensum carnis suae.

1) Velut vanae Religiones, Caeremoniae traditiones iura-

menta doctrina falsa p. 639 d. M., wo sich dieselben Gedanken in abweichen- der Form finden.

4.

[2] Futuram magnam omnium rerum esse mutationem certum est. quoties exploso aut vitiato ad aliquod tempus verbo, ipsum verbum rursus praedieatur, Veluti eum liberarentur Judei captivitate Babi- loniea, sequuta est Monarchiae Babilonicae mutatio et vastatio, Prae- dieato ex Sion Euangelio, perij Hierusalem, Romae praedieato verbo Dei, Roma eessavit esse Roma. Quid aliud habent exspeetare Germani audientes et eontemnentes verbum Dei !)?

1) Eine alte Hand hat als Randbemerkung hinzugefügt: prophetia. Ab- weiehend Erl. A. 60, 165.

1

*).

Papa etiam prudens esse cessavit, Stultieia enim est, quod usque adhue spetie religionis tentat deeipere, quam homines intelligunt im- posturam!) esse Satanae, Vi tentans stabilire regnum suum similis est stultieia, quia hoe non poterit. ?)

1) Betrug, Täuschung. 2) Vgl. p. 638 d. M.

>

b.

Leetione mansit verbum in papatu, non praedieatione. In sug- gestis enim semper textus Euangelij reeitatus est, quo etiam nonnullos salvos faetus!) esse certum est, adest enim sanetus?) verbo Christi’) vivifieans illud, quum vult et in quo vult.)

1) Lies Factos. 2) Lies Spiritus sanctus. 3) Joh. 6, 63, 2 Cor. 3, 6. 4) Vgl. p. 639 d. M.

7.

3|] Numquam magis audax in mundum venit quam est praedieatio Pauli!) qua Mosen tollit, id est legem Dei abrogat?), quod plane nihil aliud est quam politiam Dei et religionem tollere, Quis autem rationalis homo equaminiter hoe ferat? Hine oriebantur Paulo perpetuae eontentiones eum Judeis?), hine quoque faetum est, quod Paulus male audivit a pseudoprophetis, et Gallatae hae eausa ab eo direpti sunt et tota Asia, quin et ipso mortuo male audivit aliquamdiu, quod saepe in Chrisostomo?) legitur.

1) Vgl. p. 639 d. M, wo es heisst: nulla unquam in mundum venit magis vehemens et audax praedieatiu quam Pauli, qua semel videtur tollere omnem politiam et religionem ete. lfiernaeh würde im obigen Absatze praedicatio besser hinter venit zu stellen sein. Vgl. zu diesem und den folgenden Absätzen auch Erl. A. 55, 275. 2) Róm. 5—11. 3) Ueber die Conflicte des Apostels Paulus mit der Mutter- gemeinde in Jerusalem sowie mit andern kleinasiatischen Gemeinden vgl. Kurz, Lehrb. der Kirchengesch. p. 42, 43. 6. Aufl. Mitau 186%. 4) Juh. Chrysostomus, geb. um 347 zu Antiochia, 397 Patriarch von Constantinopel, gest. 407.

5.

Si Moses non ablegasset se ipsum ab offieio suo Deute: 18!) Suseitabit Deus prophetam, hune audies, quis unquam potuisset aut debuisset etiam credere Euangelio? Hine orta est magnifiea aceusatio Steffani Aet. 0, quae magnum robur habet apud omnes Judaeos. Audivimus (inquiunt) verba eontumeliosa eontra Mosen et Deum ipsum.?) Item adversus loeum sanetum et Legem, adversus instituta. Quot hie numerant artieulos fidei, eontra quos testifieantur peccasse Steffanum? Nee vane quidem, visus est enim loqui adversus Deum et omnem sanetitatem Legis, Loci, eeremoniarum, personarum ete.*)

1) Deut. 18,15. 2) Act. 6, 13. 3) Vgl. Rebenstock I, 28b: in praesentia Doctoris Conradi Cordati M. L. multa dicebat de abrogatione legis per Christum recitans locum Rom. 8.

uU.

4| Predieare, necessitate salutis non esse servandam legem, perinde sunt Juteis, atque fueris Christianis!), si quis praedicet Christum non esse agnum Dei, qui tollit peeeata mundi.

3

1) In dieser Form sinnlos. Da es p. 641 d. M. heisst: Legem non iustificare, perinde est Judaeis atque nobis esset, si quis ti (cat), Christum non esse agnum dei ete, da ferner die späteren deutschen Tischreden (Erl. A. 58, 276) Folgendes bieten: „Denn predigen und lehren, dass das (Gesetz halten sei nicht nötig zur Seligkeit, war bei den Juden gleich so viel und so ein grosser Griuel zu hören, als wenn einer bei den Christen predigte und sagte, Christus wäre nicht Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt, so wird daher zu lesen sein: atque fuerint (se. illu verba) Christianis.

10.

Paulus liberam Legis observantiam ferre posset aequaminiter, at hoe aeque nolebant Judei, ut nune Papistae, qui modis omnibus volunt eaeremonias suas servari oportere ab eo qui salvus vult esse, ideo ut Judei, ita peribunt Papistae.!)

1) Vgl. p. 641 d. M. Erl. A. 58, 276. 11.

Privatus si Christianus es, ne irascaris ullo!) hominj, Ira enim gehort Ins weltlieh Regiment, nieht in Euangelij oder eins einsamen Christen leben.

1) Für ulli.

13.

Die Eyseufresser!) audaees sunt blasphemando, non viriliter

audendo.

1) Ein Prahler, der gleichsam Eisen zu fressen vorgiebt, ein sich selbst vor dem Härtesten nieht scheuender Krieger. Vgl. da stehet der spruch, wer nu eyn eysen fresser ist, der beysse yhm eyne schartten. Das ander teyl widder d. liyml. propheten 1525 Mjb. Andere Belegstellen bei Dietz p. 523.

12.

Christianus dupliei obedientia ligatur, Dei et sui Prineipis, et illae duae obedientiae non solvuntur nisi quando princeps mandat quod eontra Deum est, tamen eum!) magis obediendum est Deo quam hominj.

1) Lies tum ei se. Christiano.

14.

5] Adeo Euangelieos audio faetos esse sponsos nostros et sponsas, ut dedignentur veteri modo offam!) dare Schoraribus?). Ideo profecto id instituam, ut eum eontrahentes venturi sint in templum nihil eis eantetur. quam O du armer Judas?), Ipsi didicerunt adeo liberi esse, ut nos solos cogant per omnia servire eis, porro ipsi nee unum obulum volunt nobis dare, Imo quae absque et sine iis habemus, non favent nobis, Das ist aueh reeht, den sie mussen die leuthe nieht sem, die vns moehten lohnen.

1 Bissen. 2) Lies Seholaribus. 3) Die Anfangsworte des sogenannten Judasliedes, vgl. Hoffmann v. Fallersleben, Gesch. d. deutschen Kirchenliedes, 3 Ausg. M. 230, Wackernagel, das deutsche Kirchenlied IL, p. 465. Die Judas- strophe lautet:

O Du armer Judas, was hastu gethon, Das du deinen Herren also verratlien hast! Darumb mustu leiden in der Helle pein, Lucifers geselle mustu ewig sein. Kirie eleyson. 1*

Am Schlusse seiner Schrift „wider Hans Worst* 1541 überträgt Luther diese Strophe auf den Herzog lleinrieh v. Braunschweig W. „Der arme Judas“ schon bei Wolfram v. Eschenbach, Pareival 219, 25. Vel. auch die Redensart „Jemandem

den Judas singen“. Historie v. Dr. Joh. Fausten Frankfurt 1577, p. 14, 213.

15.

Indignum esse inquiunt Anabaptistae Infantem puerum bapti- zari, quod non eredat, quasi vere sequeretur Dignum esse Baptismo illum, qui eredit et fidem habet, An hoe non esset rapere quod Dei est? Solus enim Deus est qui baptizat, non ergo gratis baptizat, sed pee- eatorem Baptismi indignum baptisat!). Imo dignum damnatione bapti- zat, Igitur qui non vult errare aut decipi ne dieat se baptizatum esse. quod erediderit, Sed de hoe glorietur. [6] quod ipsius Dei manibus sit baptizatus, Sin eupiveris rebaptisari? Negas te a Deo Baptisatum esse. quod impune non feret Deus, euius opus tu homo irritum facis, Jussit enim in nomine eius Baptismi.?)

1) Hier und zweimal gegen Ende des Absatzes baptisare für baptizare. Vgl. auch den folg. Abs. *) Man erwartet: in nomine suo Baptizari. Vgl. Erl. A. 51, 61, p. 641 d. M.

10.

Haee aperta verba, Baptisate omnes gentes. item mandatum Christi, et ad hee duo aeeedens exemplum Eeelesine, quae infantes ultra mille annos baptizavit, urgent me. ne illo modo credam Ana- baptistis, nee sinunt ut rebaptizer.!)

1) vgl. Erl. A 57, 67. 17.

Baptismum esse oportet, ubieunque sunt Christiani, et Christiani sunt, ubi est Baptisinus. Opus enim suum non patitur Dens inane esse et sine omni fruetu, Si enim pluvia in Coelo sine fructu non est, quae corporalis res est, et quam deus passim eadere sinit super omnes homines. quomodo sine fruetu erunt Sacramenta, quae ordinavit et instituit Deus filijs suis, quos sanguine Christi generavit? Sacramenta, Bibliam, certas eaeremonias Christianorum etiam inter haereticos esse oportet, qui volunt ferre seu voeare noinine!) dominj, Sine illis quidem nemo, ne nomine quidem est [7] in populo Dei, nee vere neque seeundum spetiem, Falsa fides est opus hominum, igitur est sine bonis fruetibus. At fides vera quae est opus Dei immediate ?), sine bonis operibus esse non potest, Ideo wo gott die Tautfe lest stehen, et praedieari Euangelion, haee non redibunt vacua.

1) qui nolunt ferre seu vocare nomen domini? Vgl. Erl. A. 57, 68. 2) Immediatum ?

18. Quod Deus mandavit (nt praedieare, Baptizare, panem dare do- minieum) das ist nieht unser werek, et nos ea non facimus.!) 1) Vgl. Erl. A. 57, on. 19. Wir müssen vns Halten wie Gott. qui perdidit!) et profundit omnia. perdit eoelum, terram. aurum, argentum, frumenta, Et solem

»

suum sinit oriri super bonos es malos, quorum semper maior numerus fuit quam bonorum.

I) Perdit ?

2t).

Non putassem primos meos eommentarios ad Gallatas!) adeo infirmos esse, O sie taugen nymer pro loe seeulo, fuerunt tantum prima laeta mea eontra fiduciam operum.

1) Vorlesungen über den Galaterbrief seit 1516, Erste Ausgabe des comment. in Epist. ad Galatas 1519, weitere Vorlesungen über denselben Brief Winter 1531 —1532, zweite Ausgabe desselben 1535. Vgl. Erl. A. 55, 382.

2].

Sera experientia est ex longo temporis abusu, et animus nihil pensi habens nunquam pervenit ad experientiam.

22.

[3] De sua Anirahtac!) dieebat?), Se eam pluris ducere quam totum Franciae regnum et Dominationem Venetorum, primo quod dono ei data esset, Illa bona Dei ereatura a Deo, Et ipse rursus do- natus esset eidein, Seeundo quod longe maiora vitia audiret passim de alija mulieribus?), quam in ea invenirentur, Tertio abunde sat caussarum in ea esse, ut amaretur, quod fidem non frangeret thori, Deinde quod Mater esset, et talis quidem, quae eito eoneiperet, et pareret cito ete., qualia si sola maritus saepe contemplaretur, faeile.superaturum Satanae diseidiae*), quae plerumque effieeret inter Conjuges.*)

. D) Umgekehrt für Catharina. Luthers Gemahlin Catharina von Bora aus einem alten Meissnischen Geschlechte, geb. 1499, gest. 1552. 2) sc. Luther. 3) Erl. A. 61, 209 Eheleuten. 4) Lies discidia. 5) Die Worte von: quod fidem pareret rito fehlen in den späteren Tischreden ganz.

23.

Impijs omnis ereatura est aperta pariter et abscondita, Esse eumi ei!) omnem ereaturam?), ut?) Asino est Ros marimie*) ad manden- dum objeetus, Putat enim se foenum mandere, Est etiam eis aperta, quia vident eam, Abseondita vero, quia non eontemplantur in Creatura creatorem.

1) Lies eis, vgl. die folgenden Worte. 2) sc. dicebat (Luther). 3) Lies ut si. I) Lies Ros marinus. Vgl. Erl. A. 57, 154.

24.

[9] Rustieis omnibus sum inimieissimus, quia cum sedeant in loeo benedictionis Dei, et minimas ant nullas habeant oceasiones pec- andi, in omnibus et maximis peeeatis versantur, Magistratum vero qus non diligat etiam peecantem, quum ij qui praesunt coacti et neeengario saepe peeeant, ae tantu maius ae saepius, quanto in majore sunt Magistratu seeulari sive eccelesiastieo? Porro Tyranni Satanae sunt in terra vicarij.

De

25.

Si in Ministerio Dei et eoniugio non essem, abirem, quo homo neseiret me venisse. Faeturus autem essem hoc prae ira, et impatientia adversus ingratum mundum, mundum fugiturus, Non propter ulla peccata earnalia, Drumb ich nieht ein Dreek wolt gehen, sed propter ipsummet malum mundum, quoniam est eontemptor Dei, et blasphemia eius et omnium, quae vere Dei sunt.

30. Quisquis privatus, privata curet, Sieut Medieus non eurat homi- nem, sed Soeratem, et magistratus!) eurat eorpus publieum. Ideo in maximo diserimine versatur. I) non curat?

27.

[10] Juristae inquiunt, Definire perieulosum esse, At Ecelesiasti- eorum perpetuum !) esse debet, Ipsorum enim est docere certa, Alioqui. quid faeiet dubia conseientia consolationem rogans, si opinionibus re- sponderis non firma ac certa doetrina??)

1) Perpetuum beständig; Adv. für in perpetuum. 2) Statt dieser 30 Worte haben die späteren deutschen Tischreden (Erl. A. 62, 217) deren fast 90 (!), ohne auch nur irgend einen neuen Gedanken hinzuzufügen!

28.

Hieronimus!) neque Theologus est neque Rethor, sed homo rimilis illi, quem nostro tempore Altensteiss nominant. Augustinus?) propter contentionem eum Pelagianis magnus effectus est, ct fidelis adsertor gratiae. Gregorius?) Caeremoniarius est, et adeo iustieiarius, ut peeeatum esse mortale auderet statuere, si vel bombum easu emiseris. Ambrosius?) vero Simplex fidei, eontra fidueiam operum adsertor°); si eontradietores passns fuisset, faeile omnes antecelleret.

]) Sophronius Eusebius Hieronymus geb. 331 oder 341 zu Stridon an der Grenze von Dalmatien und Pannonien, 37* Presbyter in Antiochien, von 396 bis zu seinem Tode 429 Vorsteher eines Klosters in Bethlehem. 2) Aurelius Augustinus, geb. 354 zu Tagaste in Numidien, 395 Bischof von Hippo Regius in Numidien, gest. 430. 3) Gregor von Nazianz, geb. zu Arianzus ums Jahr 32*5, gest. 390. Er wird in den deutschen 'Tischr. öfters in Verbindung mit llieronymus, Augustinus und Ambrosius und anderen erwähnt. Vgl. Erl. A. 62, 100, 105, 117, 121. 4) Ambrosius, geb. um 335 oder 340 zu Treviri, seit 374 Bischof von Mailand, gest. 394. 5) sc. est.

2,

Eeelesiam esse, artieulus fidei est, quod fide comprehendatur. non oeulis. Ad hee!) Deus eam abscondit miris modis, nune [11] pec- eatis, nune dissensionibus, Erroribus, Nune infirmitate, offendiculis, mor- tibus piorum et multitudine Impiorum ete. Adeoque abscondit, ut ci etiam Apostolorum in hoe opus fuit?) dissensione, quomodo est videre in eontentione Pauli adversus Petrum), Item in dissensione Marci, Barnabae et Panli.*) Et tota Asia. Regio multis nominibus ela- rissima, non ob aliam caussam eredenda est descivisse a paulo, nisi

7

ut abseondita esset Ecelesia, quae certe erat in Asia, sed in paueissi- mis, et qui Deo erant cogniti.) Jj) Ad hoe? sc. ut fide comprehendatur. 2) Lies fuerit. 3) quomodo est

videre wie man auch sehen kann? Erl. A. 59, 145 wie man siehet, da sich S. Paulus u. s. w., Galat. 1, 14. 4) Act. 15,39. 5) Vgl. num. 7.

30. Ein ketzer, inverso termino, heisst recht ein Botzer!) von den G otzen die sie anbeten, ein iglicher eim sondern, vnd den er yhm er- dacht hath. "Tol heiling ist apertissimus et aptus terminus, quo nomi- netur haeretieus. ^

1) Gotzer? In Bezug auf den Gedanken vgl. Erl. À. 57, 364 Absatz 2.

31.

Erfordi invenit Lutherus hune versum inseriptum eooperto !)

antiquissimi libri:

Versus amor?) mundi eaput est et bestia terrae. Verte in?) .Amor* et „Roma“ erit. .Bestiam* autem dieens totam Apcealipsim eitat adversus Papam.*)

1) Als Inschrift auf dein Deckel. 2) Das umgedrehte amor. 3) Inverte? 4) Der obenstehende Vers findet sieh auch bei Lauterbach p.19, Erl A. 57, 334, jedoch in anderem Zusammenhange.

32.

[13] Verbum Domini manet in eternum ?), Sie enim vertit Lutherus, Quod ad primas literas attinet?) Vniversa disciplina mo- nastica inanis est, Item verbum Diaboli manet in Episcopis.

1) Jes. 40,8, 1. Petri 1,25." Der Wahlspruch des Kurfürsten Joh. des Bestän- digen von Sachsen, den er 1529 vor seiner Herberge in Speier anbringen liess. 2) Was die Anfangsbuchstaben anbetrifft „V. D. M. I. E.*, so können sie auch be- deuten: Vniversa Diseiplina Monastica Inanis Est, oder: Verbum Diaboli Manet In Episcopis.

35.

Mea quidem sententia est, multos reges Israel, qui pessime regnaverunt, salvatos esse, Morientes enim invoeaverunt nomen dei Israel, Et peeeata faeile sunt eis eondonata, Videtur autem hoe eertum esse de his, de quibus seriptum est, et dormivit eum patribus suis !), id est eadem?) fide, qua patres sunt mortui. De iniquo Achab magnum testimonium salutis legitur, Deo ad prophetam dicente, An non vidisti bumiliatum Aehab??*) Salomon sat testimoniorum salutis habet in Seriptura. (Hoe respondebat^) contra mé*), quia ego conten- debam Salomonem damnatum esse.)®)

I) 1 König 11,20 u. s. w. 2) Eadem in. 3) 1 König 21, 29. 1) Luther. 5) Cordatum. 6) Eine alte Hand hat den letzten Worten gegenüber an den Rand geschrieben: collegit ergo hec, conversatus cum Luthero. Einige ähnliche Gedanken Erl. A. 58, 390, 61, 202. Der Satz mit Achab öfters. Vgl. Erl. A. 61, 142.

34.

Duo sunt Lex et Euangelium. Lege a vitijs vult!) repressos impios, et hypocritas operum?) arcet per eam, ut si aliud nolunt [13]

8

quam operibus eonsequi salutem, ex Lege illa discant, quae abunde deseribit?) opera. Euangelio autem consolatur?) mestos, infirmos, afflietos et omnes, quos propheta numerat Esa: 0.°) Illis enim dicitur. eonsolamini Consolatione, quia ego remitto vobis peeeata.") Quid am- plius dehuit faeere Deus quam Lege humiliare superbos et sanare per Euangelium?

1) sc. deus. 2) Erl. A. 5*, 2*5 „die hoffärtigen Ileuchler und Werkheiligen“. 3) Anordnen, bestimmen, im Sinne von praescribere. 4) sc. deus. 5) Lies Esaias 61 (v. 1—3). 6) Matth. 9, 2.

30.

Ridens sapientiam qua esse volebat sua Catharina!), Creator formavit maseulum lato peetore et non latis femoribus, ut capax sedes sapientiae esset in viro, Latrinam vero, qua stereora eijeiuntur, ei par- vam feeit, Porro hee in faemina sunt inversa, ideo multum habent ster- eorum mulieres, sapientiae autem parum.?)

I) sc. dicebat Lutherus. 2) Vergl. Erl. A. 61, 215; 57, 272.

30.

Friderieus') dixit, Se animadvertisse, quod, quantocunque sub- tili invento rationis aliquod inveniri posse?) et abtrudi?) subtilius, solum autem verbum Dei esse), quod invietum staret, et Euangelium [1-1] esse super omnem eaptum rationis, quod animadvertisset ex responsio- nibus Christi, velut illa est una de eensu?) Item de Johanne, an Baptismus eius e eaelo esset aut non.)

1) Friedrich der Weise von Sachsen, geb. 1463 zu 'l'orgau, gest. 1525, Kurfürst von 1486 1525. 2) Lies posset. 3) Für abstrudi. 4) Vielleicht: solum tamen v. D. esset. 5) Matth. 22, 11—21. 6) Matth. 21, 25. Vgl. Erl. A. 57, 42; 61, S6.

A.

Quomodo nemo potest exprimere, quam impia sacrorum propha- natio sit Missa, ita nemo dieere potest, quantam illa peeuniam per- derit et?) perierit per ipsam.

1) sc. quanta pecunia. Vergl. Erl. A. 60, 404.

38.

Rursum ridens suam Catharinam multiloquium !) dieebat, an praedieatura tot verba orando praemittere vellet? Aut mulieres num- quam praedieaturas, quia non orarent ante praedieationem, Aut Deum longa earum oratione fessum eas a praedieatione prohibiturum.?)

1) „Ein viel Geschwätz“, wenn nicht multiloquam zu lesen ist, Erl. A. 61, 215 „lachte er seiner Käthen wegen viel Waschens und Gesehwützes. 2) Der Gedanke soll doch sein: Weil die Weiber vor ihrem Predigen nicht beten, so werden sie entweder niemals das Predigen sein lassen, oder wenn sie vorher beten, so wird sie Gott, dureh ihr langes Gebet ermiidet, bald erhören und somit am Predigen hindern. Es scheint daher in praedicaturas ein Fehler zu stecken und wird wol zu lesen sein praedicare desituras.

ki

49.

Mulieres natura habent Rhetorieam, quam magno studio viros oportet aequirere. At hoe verum est in Oeeonomicis, In politieis enim mhil valet haec Rhetoriea, et viri ad eam ereati sunt, non mulieres.!)

1) Vgl. Erl. A. 61, 215.

40.

[15] Daniel!) dixit, Anti Christum non euraturum Deum neque mulierem, id est Papam nee habiturum Deum nee legitimam conjugem, Npreturum religionem, Politiam pariter et Oeconomiam, Quem ad mo- dum enim mulier praeest Oeconomiae, Ita omnis Politia est propter mulierem, et educandam ex muliere gubolem, Et hoe vult dieere, Anti- Christum eontempturum leges, ordinationes, statuta 2), iura omnia, mores bonos, Contempturum reges, principes, regna et plane omnia, quae sunt eweli et mundi et magnifieaturum tantum sua inventa.?)

1) 12, 1. 2. 2) Corrigiert aus: instituta. 3) Vgl. Erl. A. 60, 177, auch 287, 294.

41.

Valde exili incommodo abscondit Deus sua dona, ut ipsa feteant ! hominibus, velut Theologiam abseondit adolescentibus, per hoe, quo non habeant?) pinguia stipendia Theologi, quemadmodum a. coniugio arcentur ipsi, non tam propter magna mala.)

1) Foeteant übel riechen. 2) Habent? 3) Vgl. Erl. À. 57. 11U.

42.

[16] Petrus!) praedieat Christum in hoe natum esse, ut resti- tuere omnia, id est ut nos redueeret ad cognitionem nostri, et in hoe unum obtruditur nobis universa ereatura, ut in ea eontemplemur erea- torem, quod tamen fit foeliciter, quum vel parum?) fidei apprehendimus ex primo Artieulo fidei.

1) Erl. A. 585, 11 Paulus, vgl. Ephes. 1, 4, Col. 1.22. 2) In abgeschwächter Bedeutung nicht viel.

43.

Germanis nihil deest rerum, omnia enim habent, At quia ger- manis deest scientia rerum et diligentia, ideo nihil habent, quia rerum usum non habent.!)

1) Erl. A. 62, 414.

44.

Quemadmodum paterfamilias dieit suae familiae, Esset, trincket, Last mich vmb euch sorgen, tantummodo studiosi sitis meae voluntatis, Ita Deus non curat, quid edas aut bibas vel quomodo vestiaris, Sed hoe requirit, ut voluntati suae te eonformes.!)

1) Vgl. Erl. A. 60, 390.

45.

Papa plane ex omnibus, quae sunt in mundo, peeunias cudit, solo infantium Baptismo excepto, quod illi nudi et sine peeunia naseantur, alioqui neque illis parsurus j ete.

Le ) In ungemein weitschweifiger Form finden sich dieselben Gedanken Erl. A. 60, 228,

10

40. [17] Mirericors Deus propitius mihi sit peeeatori et det mihi gratiam et sepulturam, mundus enim me ferre non potest neque ego mundum.

47.

Adeo horrendum est verbo'), ut, si viderem omnes angelos et audirem diversum?) eolloqnentes, non modo non moveri deberem ad non eredendum alieni loeo Seripturae. verum etiam oeulogs eladere?) et aures, neque enim aspeetu dignandi?) essent neque auditu.)

I) Solehe Furcht (Ehrfurcht) muss man vor dem Worte Gottes haben. 2) sc. a verbo, was mit Gottes Wort im Widerspruche stelit. 3) Lies claudere. 4) sc. angeli. 5) Vgl. Erl. A. 62, 414.

48.

Sieut ipse Christus, sie nos sumus in mundo, seilieet invisibiliter. et quod nos, qui Christo credimus, mundus non agnoseat, sieut!) et Christum non agnoseit, qui eerte est in mundo, seeundum id Ecce. ego vobiseum.?)

I) Sic? 2) Matth. 25, 20, Erl. A. 5*, 99.

19.

Duo sunt in mundo, quorum sollieitudine tenetur Christianus, verbum et opus Dei. |

a.

|18] Papa, postquam Doctor esse desijt, factus est servus men- sarum, quod omnes Deeretalis!) eius testifieantur. Im quibus nihil penitus agit Theologiearum rerum, facetus servus mensae, tria. studia amplexus est, Primum, ut omnia agat pro stabilienda sua domina- tione, Seeundum. ut Reges et Principes per summa odia eolliget 2). quotieseunque alieui ex summis. vult nocere, In hoc aperte malus est. In tertio autem suo studio oceultatissimum agit Satanam?), eum quasi henefieus solvit odia, quae inter eos paulo ante eonflaverat. Neque in*) ante faeit, nisi quum id obtinuit. quod voluit. Porro, quod veri- tatem verbi Dei pervertit, hoe non agit ut Papa, sed ut AntiChristus, et verus Dei adversarius.’)

1) Lies Decretales. ?) Verbindet, aneinander bindet, im Sinne von zu- sammen hetzen. 3) Spielt er aufs heimlichste den Teufel. 4) Lies id. 5) Vgl. Erl. A. 60, 213, 379.

1.

Philippus Mel: ) Erasmus?) Hoterodamus dixit, Postquam pa- trem Theologi invenerunt et filium, addiderunt et spiritum. sanetum, ut bellum haberent munerum.

I) Philipp Melanchthon. (Schwarzerd oder Schwarzert?, von Reuchlin grae- cisiert und seit 1531 stets Melanthon geschrieben), geb. 1497 zu Bretten in der Rheinpfalz, gest. 1560. 2) Desiderius Erasmus von Rotterdam, geb. 1467, gest. 1537. Einer der Hauptvertreter des Humanismus, der geistreichste und gefeierste Gelehrte seiner Zeit. Luthers Gegner seit 1524. Vgl. Erl. A. 61, 112.

11

92. [19] Cnm quidam!) dixisset in Comieijs Augustanis?) ad P. M.3), Philippe was wolt yhr anfahen*? respondit continuo Vincere.)

I) Matthias Lang, Erzbischoff von Salzburg. 2) 1530. J) Philippum Me- lauthon. 4) Ueber Matthias Lang vgl. Erl. A. 60, 121, 356.

9d.

Saltzburgensis Episcopus contendens eodem tempore!) eum Stromer?), viro Consulari a Norinberg?) Et ut vineeret, allegant 4) magnam illam peeuniam, quam rex Gallorum captus Carolo dedit Im- peratori pro sua redemptione ?, Deinde subintulit, wie wolt yhr euch nn halten? Respondit, Gott dem Hernn wollen wir die sach befhelen, Ad haee Langius*) Das hette mir ein Gans wol gesagt. Scilicet sie loquebatur tantus Episcopus de negotio verbi Dei, de quo tune eon- trovertebatur iuxta?) serio magno et magno perieulo Germaniae, et eum homines audiunt spem suam in Deum ponentes, ita loquuntur Episcopi.

1) 1530. 2) Dr. Heinrich Auerbach, geb. zu Auerbach in der Oberpfalz 1482, gest. 1542. Er hiess eigentlich Stromer, wurde Professor und Ratsherr in Leipzig, war ausserdem eine Reihe von Jahren in anderen Diensten thätig, z. B. als Leibarzt des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, des Erzbischofs Albrecht von Mainz, des Herzogs (zeorg von Sachsen u.s. w. Er ist der Erbauer von „Auerbachs Hof“ in Leipzig, dessen Keller dureh Dr. Fausts „Fassritt“ und durch die Kellerscene in Goethes Faust ein weltbekaunter und noch heute besuchter Ort geworden ist. 3) Dass Stromer auch als Ratsherr in Diensten der Stadt Nürnberg gestanden habe, ist sonst nicht bekannt. 4) Die Worte von Saltzburgensis - - allegant sind schwer zu verstehen. Vielleicht wird so zu lesen sein: Saltzburgensis Episcopus contendens eodem tempore eum Stromer viro Consulari a Norinberg, ut vinceret, allegant, inquit, magnam illam pecuniam ete. Das wiirde heissen: Der Erzbischof von Salz- burg stritt sich zu derselben Zeit (1530) auf dem Reichstage zu Augsburg mit dem Ratsherrn Stromer von Nürnberg, und um mit seiner Ansicht Recht zu behalten sagte er: Man schickt (niümlich nach Augsburg) jene grosse Geldsumme etc. ») Franz I. von Frankreich (1515 1547), gefangen in der Schlacht von Pavia, be- zahlte im Damenfrieden von Cambray 1529 jene Geldsumme (2 Mill.) nicht für seine Befreiung, sondern für die seiner Nöhne, die er 1526 im Frieden von Madrid als Geiseln gestellt hatte. 6) Der vbenerwähnte Erzbischof. 7) Wohl im Sinne von cium.

54.

Mundus non vult Deum habere pro Deo, nee Diabolum pro Dia- bolo!), ideo eogitur habere viearios ipsorum Papam et Magistratum.

1) Vgl. Erl. A. 57, 2*0.

s.

[20] Ad pastorem in Zwiccaw, virum optimum Haussmann !) dixit, Mi vir, si postulaveritis ex omni substantia mea, quaeeunque vobis commoda sunt aut necessaria, summum beneplacitum mihi facitis, Sin minus, summe me offenditis. Cum enim res meae sint pauperum, quomodo vestra non faciam omnia quae possideo? Quod autem nxor mea hortum emit, sibi, non mihi et contra me, non pro me.?) At quod eum ego?) obieeissem, Cur hoe ei permisistis inviti? respon- lehat, Ego nee praeces eius ferre possum neque laehrimas. ?)

1) Nicolaus Haussmann, geb. 1479 zu Freiburg in Sachsen, 1521 Prediger an der Marienkirche in Zwickau, 1531 vertrieben, 1552 Hofprediger in Dessau, 1536

13 Nuperintendent in Freiberg, gest. daselbst 153%. Einer der vertrautesten Freunde Luthers. 2) se. emit. 3) Cordatus. 4) Dass Frau Käthe wider den Willen ihres Gemahls einen Garten gekauft habe, so dass Luther beim besten Willen nieht im Stande ist seinen beiden im Sommer 1531 aus Zwickau vertriebenen Freunden Hauss- mann und Cordatus so mit barem Gelde auszuhelfen, wie er es wohl gewünscht hätte, ist sonst nicht bekannt. Das kleine Gut Zulsdorf bei Leipzig kann hier nieht gemeint sein. Dieses übernahm Luther erst 1540 von einem Bruder seiner Frau. Auch der Ankauf eines Nachbarhäuschens mit Gärtchen fällt in eine spätere Zeit (1541), während die vorstehende Unterredung im Jahre 1531 stattfindet. Von seinem Garten spricht Luther seit 1524 öfter. Vgl. z. B. Köstlin II, 16%. Man versteht darunter gewöhnlich den zu seiner Wohnung gehörigen Klostergarten. Dieser aber brauchte nicht erst gekauft zu werden, da das frei gewordene Kloster nebst Garten Luther vom Kur- fürsten ‚Johann als Besitz überlassen war. Es scheint hier also ein anderer von Luther käuflich erworbener Garten gemeint zu sein.

90. Ad me!) eum Witembergae agerem propter Verhum?) quoties

dixit: Cordate, Si vos pecuniam non habetis, ego aliquot adhue ha- beo eyphos?) argenteos.

I) Cordatum. 2) Vom 9. Mai 1524 bis August 1525. 3) xugos ist nach dem Etymol. Magnum 549, 7 ein „hohles Gefäss, Kufe“. Wahrsceheinlicher erscheint cy- phus corrumpiert aus der Form cyathos, welches wiederum auf das griechische zvados „Becher“ zurückzuführen ist. Ueber silberne in Luthers Besitz befindliche Becher vgl. Köstlin II, 170, 495. Obige Worte sind also 1524 oder 1525 ge- sprochen.

57.

Cum ego!) praedieatorem Haussmann pastorem Zwiceaviae gequutus fuissem, populum et ingratum et sediotiosum ambo deserentes, diecbat?) nobis ei assistentibus, Non tam chari essent mihi sexcenti donati floreni, quam eharum mihi est utrumque vestrum abijsse, vos salvos?), et utrumque meeum sedere, Tanta erat in viro Charitas proximorum.)

1) Cordatus. 2) Luther. *) Haussmann und Cordatus waren in Zwickau mehrere Male ihres Lebens nicht. sicher gewesen. 4) Ueber die langwierigen Streitigkeiten, die 1531 zur Entlassung von lHaussmann und Cordatus aus ihren

Aemtern in Zwickau führten vgl. Gótze: XIV. Jahresber. der Altmärk. Verf. f. G. p. 621f., Kóstlin II p. 27$ ff. Obiges Gespräch fällt also ins Jahr 1531.

58.

[21] Quod multae privatae dissensiones et alia multa ineommoda sunt in imperio Romano, hoe non siluit Daniel!), eum loeutus est de regno partim infirmo.

1) Dan. 5, 17—28.

9.

sententia illorum, qui putant Caelibatum in hoe invenisse ’apam, ut ditiores redderet Sacerdotes, sine uxoribus viventes et li- beris, falsa est, Per spetiem enim religionis, quam prae se fert Caeli- batus. Papa se et omnes suos ad summas opes subvexit et tantam authoritatem, ut reges habeat sub pedibus suis.!)

1) Einige ühnliche Gedanken Erl. À. 61, 293.

13

60.

Cum in hora mortis nostrae exituros nos portam exituri sint an- geli Dei!) ut in sinum Abrahae nos deferant, quid ergo me?) no- egerit, Ob mich ein geitziger paur plagt mit thewrung, Ein seharr- hans?) mich mit fussen tritt, oder ein zorniger fürst mir den kopft abreysset ?

1} Diese auf Lue. 16, 22 anspielenden Worte sind in dieser Form wohl nicht verständlich. Ich vermute, dass Cordatus schrieb: eum in hora mortis nostrae exi- turos nos portam exeepturi sint angeli Dei, d. h. da in unserer Todesstunde (rottes Engel uns, wenn wir in das Himmels Thor eingehen wollen, in Empfang nehmen werden, um uns in Abrahaıns Schoss zu tragen u.s. w. 2) Für mihi. No- cere kommt bei Cordatus öfters mit dem Acc. vor. Vielleicht im Sinne von schä- digen? 3) Ursprünglich ein „schnarchender d.h. ein derb anfalirender, grossthuender Hans (Mensch)“, daun „Held durch Maul und (seberde“, vgl. Weigand II p. 551. In derselben Bedeutung seit dem vorigeu Jahrhundert das Wort Bramarbas (Grossprahler mit Heldenthaten). Vgl. auch Eysenfresser n. 12.

61.

[22] Aggeres cireum Witenbergam faetos!), non profuturos, quod sine invoeatione dei essent incepti, eum neque plantam transferre lieeret Christiano Deo suo ante non invoeato, Quod autem murus adeo magnus, longus et altus destrueretur, qui in uno aut altero anno neque aedifieatus esset, neque posset reaedifieare, hoe signum habere traditionis. Deinde addebat, In den geferlichen Zeiten Hab ieh nichts fur diese lueken zu stellen, den eynenn pater noster.?)

1) sc. dicebat Lutherus. 2) Im Jahre 1530 legte Hans von Metzsch, Kur- fürstlicher Stadthauptmann zu Wittenberg neue Befestigungen dort an. Im folgen- den Jahre 1531 wollte Metzsch sogar einen 'l'eil der Stadtmauer einreissen lassen. Da verwandte sich Luther bein Kurfürsten für die um ihre Sicherheit besorgte Stadt. Köstlin Il, 452. Nach Cordatus waren also bereits Notdämme aufge- worfen, die bis zur Wiederherstellung der Mauer als Ersatz dienen sollten. In diesem Zusammenhange wiirde also quod autein - - distrueretur mit „dass aber eingerissen werden sollte“ zu übersetzen sein. Obenstehende Worte hat Luther 1531 gesprochen.

62.

Quidam dicebat Johannis epistolam simplieibus verhis seriptam esse, et faeile posse intelligi, Huie respondebat, Ja sie ist leicht, aber niemand wil yhr naehdeneken !)

1) Vgl. Veit Dietrich: collecta ex colloyq. 7!.

63.

Cum pullos recenter exeubatos Luthero attulisset uxor, dice- bant:!) Si rustiei statum et eonditionem suam intelligerent, statim in paradiso essent, Esse?) autem in Paradyso, esse Dei cognitionem absque peeeatis, Rustici autem agunt in medio ereaturarum Dei, ex quibus Deus conspicitur ete.?)

1) Lies dicebat. 2) sc. pullos. 3) Abweichend Erl. A. 57, 159, 292. Luther denkt wohl an den Vers des Vergil Georg. IT, 458: O fortunatos nimium, sua si bona norint. Vgl. auch Erl. A. 61, 352, 353.

64.

[23| Praetereuntes, ter repetitum, faeit hexametrum versum, seeundum numerum syllabarum pariter et sententiam, quae certe re-

14

quirit Suppositum, Appositum et aliquem post se easum.!) Sie autem editur:

Praetereuntes praetereunt es (sieut thesaurum infossum)

| praetereuntes,

Id est ignari, quod istie sit infossum es. Dieebat?) autem talia esse ineidentia?), non ingenium, quod nequit ingenium, casus faeit.t)

1) In Bezug auf den angeführten Vers würde praetereuntes das Sup positu m, das Prädikat praetereunt und die prüdikative Apposition praetereuntes das Appositum und es der Casus sein. 2) se. Lutherus. 3) Eintülle. 4) Der obige Vers findet sich auch in Luthers Handpsalter, wo Folgendes vorangeht: Augu- stinus, vel hodie vel eras sit, futurum est, debitum est, reddendum est, moriendum est. lfaec verba Magister Cellarius (t. 1542 in Dresden) in janua scripta legit et relegit quatriduo ante mortem. Kummer, Tischreden (bei Lauterbach p. 29, Note) p. 424b

65.

Christiani eoguntur ferre tres persecutores, Malos, peiores. pessimos, Primi sunt Tyranni, qui persequuntur nos potentia, et peeeant eontra patrem, euius est omnis potentia seu potestas, Secundi sunt seetarij, qui peeeant humana sapientia eontra divinam sapientiam filij Dei, Tertij sunt falsi fratres, quorum peceatum est ex mera malitia eontra bonitatem spiritus saneti, Ideo peecant peeeatum irre- missibile, et sunt pessimi, Judas simplieiter sunt. De quibus Christus. qui edebat ete. in psalmis et in Euangelio ultimo!) de eis?) questus est, Supplantant et edunt panem nostrum, id est audiunt praedieationem uostram Vnd treten vns zu Thon mit fussen.?)

1) Ps. 41, 10, Jon. 13, 18. 2) Wiederholung aus.dem Vorigen. 3) Aehn- liches Erl. 60. 145.

66.

|24] Respieiens eoelum nocte dieebat, Er muss ein guter meister

sein, der on pfeyler ein solehs gewelb gepawet hat.!) |

. 1) Vgl. den Brief Luthers an den Kanzler Brück vom 5. Aug. 1530, Köst- lin IL, p. 234. 67.

Habent Mosen et prophetas, Si propter haee verba Anabapti- stae dicerent reeeurrendum esse ad Mosen, Respondetur eis, Hie Chri- stianis non locutum esse Christum, Neque hec statuit ut doetrinam, sed recitat historiam !), Etiamsi putem solum Christum interfuisse, quaudo hoe contigit.

1) Luc. 16, 19 ff.

68. |

Si non esset remissio peecatorum apud Deum, so wolt ich (seeundum omne id, quod sum natura) Gott gern durehs fenster auszwertfen.!)

1) Vgl. Erl. 57, 250.

69.

Papatus est regnum debitum omnibus Impijs et contemptoribus Dei, qui digni sunt tali reetore, ut vel inviti obediant homin) neque. qui sponte Deo noluerunt obedire.!)

1) Hinter ueque scheint deo zu fehlen. Vgl. Erl. A. 60, 380.

10.

125] Ante suam glorifieationem noluit glorifieari Christus. Ideo more Judaieo orationem Dominieam praeposuit Apostolis, tantum patrem adorans, Nune autem non audimur nisi per Christum rogantes.!) 1) Vgl. Erl. A. 59, 26. 71.

Ich habe Christum ynd den Bapst annander gehangen, drumb bekommer ich weiter umb niehts!). wiewohl ieh mit zwischen thur vnd angel kome, vnd gedrengt muss werden.

I) Erl. 4. 5*, 126 „kümmer ich mich weiter vimb nichts“ Die ursprüngliche Form bei Cordatus, von dem Mittelh. bekumbern (in Not bringen) abgeleitet, hat bier intransitive Bedeutung und heisst „in Kummer sein“ Vgl. Dietz, p. 250.

12.

Regnum Dei non est in sermone, ist nieht allein wascherey !), Ned in virtute, quod addit eontra hypoerisim, quae dieit et loquitur multa de bonis operibus et non faeit. I) Leeres Gieschwätz. 13.

Senem (dueere iuvenem!) uxorem est senem civiliter et natura- liter oeeidere.?)

1) Jugendlich. 2) Achnliches Erl. A. 61, 1%.

74.

[26] Duo veniebant ad eum!) Magistri eum eiusmodi questione, An Lex sine spetiali motu spiritus saneti revelaret peeeatum hominibus, Hue alter adserebat, negabat alter verum esse, Prior innitebatur verbis Pauli ad Romanos?), Legem esse revelationem peeeati, quod alter dieebat esse offieium spiritus saneti. eum Lege, alioqui multos. audire lezem, qui tamen non haberent revelationem peeeati, Ad quae Doetor sie respondebat, Eos in aequivoeatione termini legis?) laborare, alioqui utrosque iustos esse*), si univoce?) loquerentur, Legem igitur dupliciter intelligendam esse. Primo ut tantummodo seriptam, auditum. leetam, Sie legem non esse, quae revelaret vim, id est stimulum peecati, queam) abusum omnes prophetae*) eorriperent, dieereunt?), et non audistis me?) ete., Neeundo Legem esse verba Legis una eum motu spiritus saneti. qui viin adderet verbis sive seripturae Legis, Das einer spreeh ex corde, Ach, das gehet mieh an, Do hab ieh vnrecht gethan wider Gott, Deinde eum ego!") urgens dicerem, Legem aliud esse et!!) legem Dei, quam neeesse esset vim suam habere, qualem verha humana non laberent, Addebat, Tria distinguenda esse, Legem seriptam. vocalem et spiritualem, Seriptam in quantum seriptam !?), [27] esse truneo similem, qui nisi motu& non inoveretur, Ita Lex. nisi legeretur 3), Vocalem autem revelare peecatum etiam impijs, Adulteri enim audiunt sese peti, quum sex tum praeeeptum audiunt sed vel contemnunt aut etiam post eontemptum persequantur !?) illud eis opponentem, Lex vero spiritualis non est sine affectione spirituali ipsius spiritus, movet enim eorda non tantum, ut Den eontemnant, aut post eontemptum persequantur, sed magis ad eonterendum | peecatum. et resipiseendnm.

16

1) Lutherum. 2) Röm. 3, 20. 3) Doppelsinnigkeit des Ausdrucks „Gesetz“. 4) Uebrigens hätten sie beide Recht. 5) Eindeutig, ohne Doppelsinn. 6) Lies quem iam. 7) Erl. A. 5S, 289, wo sich dieses Gespräch in vielfach abweichender orm findet, hat: Und den Missbrauch straften auch die Papisten (!) NS) Viel- leicht dicentes. 9) z. B. JJesaias 42, 20, Jer. 7, 26, 17, 23 etc. 10) Cordatus, Darnach ist also einer der beiden Magister Cordatus gewesen. Erl. A. 58, 290 „Darnach da einer auf diese Wort drang.“ 11) Vielleicht ae legem Dei. Doch kommt in dem Latein der damaligen Zeit nach den Ausdr. der Gleichheit und Verschiedenheit auch oft et vor. 12) Das geschriebene Gesetz, so weit es geschrieben sei. 13) Erl. A. „Das geschriebene, 'so fern es geschrieben auf dem Papier und im Buche stehet, ist wie ein Klotz, was das Bewegen belanget, bleibt da liegen, thut nichts, man lese es denn (). 14) sc. legem vocalem opponentem eis illud (se. sextum praeceptum).

79.

Cum autem (obijeiendi studio) mentionem fecissem !) verborum Pauli ad Thess. 22): Verbum agere in auditoribus, respondebat3), Hoe de Euangelio intelligendum esse. neque illud quidem*) tantum seriptum aut voeale verbum efficere sine spiritu saneto. Porro eum dixissem >) talia esse vera, ae maxime arridere Suermeris, qui verbum Dei sub- sannarent®), dieebat?), hane esse aliam quaestionem, seilieet an si") verbo voeali aut seripto eognitio peeeati aut gratiae in Christo per- veniret ad homines, vel an unum *) seriptum aut voeale, ut est seriptum vel voeale, iustifiearet aut revelaret peceatum, Sive perduceret auditores ad gratiam.

1) Cordatus, Erl. A. 55, 290 „Da aber einer, allein Unterrichts halben, den Spruch St. Pauli zum "'hessalonichern Anzug (!) 2) Thess. 2, 13. 3) sc. Lutherus.

4) sc. verbum agere in auditoribus. 5) Cordatus. 6) Mit spüttischen Geberden verhöhnen. 7) sc. Lutherus. 8) Lies sine. 9) Lies verbum.

16.

[28] Si dieerem!) me ante deeennium intellexisse Missarum impietatem, ltem eultus sanetorum, purgatorium quoque, et talia, velut indulgentias, mentirer, quamquam ad multa seiens et prudens eonnivere voluerim?) quam eontradieere. Putabam enim per rationem hoe novum de verbo Dei negotium, quan- tum quantum lieeret?), tegendum esse quam revelandum. At quemadmodum Zwieeaviani nune*) vi malunt agere contra ministros Verbi, Ita nune mecum egerunt Papistae, Et efticerunt°), quod nune sentiunt et dolent.

1) se. Luther. 2) Vielleicht maluerim. 3) Hinter liceret scheint magis ausgefallen zu sein. 4) Also 1531. Mit den Dienern des güttlichen Wortes sind Haussmann und Cordatus und Soranus gemeint. Vgl. Köstlin II, 278 ff. 5) Lies effecerunt.

mm

ul.

Nudis verbis Deus non potuisset nobis adeo commendare miseri- eordium suam. Remissionem peceeatorum et alia quae sunt suae bene- dietionis, ut erederentur. nisi tam per magna et fortia exempla illa nobis per Verbum suum eelebraret, quorum primum est Adae et deinde reliquorum, ut Davidis adulteri, Job maledicentis pariter et llieremiae et aliorum multorum.!)

I) Vgl. Erl. A. 58, 211.

17

78.

[29] Maledieere sonat in Germanico durius quam in Hebreo, sienifiecat autem tantum ac si dieas, Das dieh ein vngluek bestheh !), wol, ich wunseh, das dir nieht wol gehe.?)

I) Zum Kampfe stellt, angreift, überfällt. Vgl. Dietz I, 252, ferner: ein ketzer, ein abtrinniger vnd alles vnglück bestehe yhn, bulla cenae domini 1522 Ciijb. 2) Vgl. Erl. A. 58, 211.

19.

Totus ordo Papistarum in actione consistit, Anabaptistarum autem in passione, vnd ist eins als gut das ander.!)

1) Vgl. Erl. A. 60, 3*0. u.

Verus et ipsissimus seopus !), inquit Salomo, quem Eeclesiastem nominant, est, Mitte vadere, sieut vadit, quoniam vult vadere sicut vadit.)

I) Latinisiert aus oxorrög, das wirkliche und eigentliche Ziel. 2) Vgl. Pred. Salom. 3, als dessen Hauptinhalt die obigen Worte: mitte vadere vadit angesehen werden künnen.

In einer vom Archivrat Bodemann 1977 in Hannover aufgefundenen Handschrift Luthers aus dem Jahre 1544 findet sich Folgendes:

Usus psalterii et scopus Uredens tentatur et tribulatur, tribulatus orat et invocat, invocans exauditur et con- solatur, consolatus gratias agit et laudat, laudans alios instruit et docet, docens hor- tatur et. promittit, promittens minatur et urget, qui credit minanti et premittenti, denuo eundem circulum currit. Vgl. auch Erl. A. 62, 462, wo sich dieselben Ge- danken, wenn auch mit einer Reihe von Abweichungen finden. Ebendaselbst die deutsche Uebersetzung des 'l'homas Venatorius aus Nürnberg.

3].

Ego quidem puto, plures in rure nobiles et reetores in civitatibus Ducis Georgij'). qui ex animo bene volunt veritati Euangelij, esse. quam sub nostro eleetore?), Idem sentio de eontemptoribus et perse- eutoribus.?)

I) Georg von Sachsen, geb. 1471, gest. 1539, Herzog in den altalbertinischen Ländern von 1199 1530. 2) Johann der Beständige, geb. 1468, Kurfürst von 1»25--1532. 3) se. plures esse in civitatibus Ducis Georgii quam sub nostro Electore.

82. |30| Doetor Lazarus Spengler!) Norinbergensis unus est, qui Euangelium invexit in Norinbergam, et haetenus, ut in ea maneret, m e. e 3 , unus effecit. . „N Dr. Lazarus Spengler, geb. 1179, studierte in Leipzig humanistische und juristische Wissenschaft, gest. 1534. „Dem Namen nach zwar Ratsschreiber zu Nürn-

berg, in Wahrheit aber der Lenker des ganzen Gemeinwesens.“ An den wichtigsten Akten der Reformation, der er zugethan ist, nimmt er hervorragenden Anteil.

83. Etiamsi ius nonnihil stet a parte tua, tamen. malum. exemplum omnibus modis vitare debet Christianus.

tz

18

84.

In prophetia Liehtenstein!) indubie?) Monachus. qui habet in humeris stantem Satanam et manus nittentem in eaput eius, Lutherus est, Porro eum quidam papista hune interpretatus esset, omnem doetri- nam eius et vitam ex Diabolo futuram esse. respondit Philippus Mel. germanus frater?) hoe minime sie intelligi debere, sed magis intel- ligendas esse adversitates, quas Lutherus pateretur a Papistis, agente eos Sathana, et hoe signifieari per pedes ineumbentis Satanae. quibus eoneulearet Lutherum et per manus. quibus tunderet caput eius aut pilis traheret.45)

1) Die Prophetie des Astronomen Joh. Lichtenberger oder Lichtenberg (Cordatus: Lichtenstein) aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh., welche der Stadtsyndikus Stephan Roth in Zwiekau 1527 neu herausgab und zu der Luther (vgl. Köstlin II, 150 ff.) eine Vorrede sehrieb, wird auch bei Lauterbgel p. 143. Bindseil, Abdruck der hall.

Handschrift T p. 442 erwähnt, Erl A. 62,53, Ueber ihren Inhalt vgl. Köstlin an der angeführten Stelle Tiehtenberg stainmte aus dem Orte Lichtenberg. Kreis St. Wendel, Regierungsbezirk Trier. 2) Ohne Zweitel. 3) se. Intheri. 4) Der

Absatz ist wohl als Erzählung des Cordatus aufzufassen.

35. |;31| Bestiores!) sunt astutiores quam homines. hine est. quanto homines sunt magis Barbari, tanto sunt astutiores. llaee cernuntur in historija Barbarorum regnorum.

1) Lies bestiae.

80.

Inter apertam dei obedientiam et Satanae nihil est!) pulchrius superstitione, et utramque?) eodem studio exereent homines. Obedientia Dei est obedientia fidei et bonorum operum. Obedientia antem Satanae est ex infidelitate ad mala opera et superstitionem.")

1) Im Sinne von interest. 2) se. obedientiam. 4) Vgl. Erl. A. 60, 62. 61, 159. 57, 191.

ST.

Nullus est erro). qui non appareat esse spetiosissimus?). si per "tionem irrueris in Verbum Dei, Sie Manieheo suus erro fuit spe- tiosissimus de duobus dijs sive prineipijs. Altero bono, malo altero, Cireumspieiens enim universam ereaturam vidit in omnibus quiddam boni et quiddam mali. velut in arboribus quosdam fruetus bonos, quos- dam malos, In alijs vermes. putres ramos ete, Porro quod. ineidit in tum erassum?) errorem, eaussa fuit, quod. aut primum artieulum Simboli aut non traetavit, aut frigide traetavit, [32] Alioqui alterum. Deum non admisisset, Simile fit in omnibus, «quos ratio deeipit. Deeipit autem illos, qui toti vel in parte suis cogitationibus inhaerent et non soli verbo Dci.)

1) Hier und hernaeh für error. 2) Sehr blendend, bestechend. 3) Grob. 4) Vgl. Erl. A. 61, 114.

38.

Origini!) hoe summum negotium fecit. An deus esset author mali, Nos autem negamus Deum esse authorem malorum, Creaturarum

19

enim anthor est, at Creaturae Dei utique bonae gunt. Quando autem sie loquimur. eonsiderandus est Terminus author vel eaussa. Effeetive enim Deus non est caussa mali, licet det improbos in reprobum sensum, sed seeundum id, Et dimisi eos seeundum desideria eordis eorum.)

1) Origenes, geb. um 1*5 zu Alexandrien, Presbyter 225, gest. 254 zu Tyrus. 2) Psalm S1, 12, 13.

St. , Qui diligenter legeret libros Regum, der sol ein gewaltiger pre- diger werden.

90.

Medicina infirmum. Mathematica tristem. Theologia pecea- torem faeit.!) I) Vgl. Erl. A. 62, 302.

9].

[33] Deus ordinavit, ut omnes homines vescantur in sudore vultus pane suo, atque id ita ordinavit, ut, qui hune sudorem non vult, sudo- rem eogatur ferre malae eonseientiae. Et eum Deus hoe ordinavit in poenam, Idem ordinat Satan, sed propter Avaritianı.

92.

Animae inanes artienlum Justifieationis non possunt magni faeere, quia non egent illo.

95

Antiqui distinxerunt triplieem Theologiam, In propriam. quam dixerunt historieam, velut!) historia passionis Christi, et quidem seripta 7) onnium Euangelistarum, In Simbolieam, ut si Christum dixeris pastorem, In tertiam Mvstieam, quae doeet Deum quaerere. negative, Aber ich habe ınein predig gesetzt auffs voeale verbum, qui vult, me sequatur. Qui vero non vult, Der lass. Est autem illud in immensum snpra nos. Non infra nos, ut multi Sehwermeri eavillantur, Porro qui altiora ruatur?) sua. eontemplatione quam [34] simplex verbum Dei praescribit, smiles illis sunt,. De quibus phropheta dieit, Vidi somnium, Vidi somnium.)

1) sc. est. 2) Die Schriften. 3) Lies rimantur d.h. zu erforschen suchen. 4) Joel. 2,28. Vgl. Erl. A. 57, 14.

04.

Animalia ereata sunt, ut discamus ab eis animalia!) eognoscere et timere, Hine dieit Christus?) Estote prudentes sieut serpentes ete. Au non aliquid magnum in hoe nobis signifieavit, quod eueulus pa- rentem suum vorat, die grassmueken, quod semel per fenestram meam respielens vidi? Signifieat autem, quod falsi Doetores veros opprimunt.

1) Erl. A. 57, 155, Gott erkennen und fürchten. 2) Matth. 10, 16. Q*

20

05.

Episeopi malunt seeundum capita sua!) snaviter perire in no- mine Satanae, quam salvi fieri et manere in nomine Dominj, 5i enim ad universalem et privatam pacem adeo consulerent ut nos. Corpore in opibus suis mansuri essent et salvi forent in anima.

1) Nach ihrem Kopfe, d.h. auf ihrem Sinne bestehend.

00. Wen ieh noeh eins freyen muss, wolt ieh mir ein gehorsam weib aus eim stein Hawen, sonst Hab ich verzweiffelt au aller frawen vngehorsam.!)

1) Erl. A. 61, 216: Gehorsam.

07.

135) Isti versus stant in Tit: De foro Compet:!) et sunt absque omni dubio eontra Papistas:

Composito late fetenti quaeso eiba te, Qui putas exelusum, erimen per temporis usum.?)

Id est, qui putat malum praescriptione bonum fieri aut peeeatum vetu- state fieri virtutem, Der sol ein Dreek essen.

1) In Titulo de foro Competenti. 2) Der zweite Vers ist fehlerhaft, da die zweite Silbe in putas lang ist. Wahrschemlicher sind die Verse aber als Leoninisehe und darauf deutet die Interpunktion und der Reim hin so zu lesen: Composito late, fetenti quaeso ciba te, qui putas exelusum, crimen. per temporis usum. Vgl. p. 420 d. M., wo sich ähnliche Verse finden. Die Erklärung der Verse deuten Luthers folgende Worte an. „Mit einem weit hin riechenden Ge- richte, bitte, füttere dich, wenn du meinst“, ist wohl zu übersetzen. Das soll heissen: „Du sollst Dreck essen, wenn du meinst, dass durch Verjährung (prae- seriptio) etwas Böses zu etwas Guten oder ein Verbrechen mit der Zeit zu einer Tugend werde*. Die obigen Verse sind weder im corpus iuris civilis noch canonici zu finden.

08.

Pura naturalia?) Sive terra nascentia, eonvenit edere ad eon- servationem humoris naturalis, Velut sunt pisa reeentia?), Poma, pira ete.?)

1) Vgl. Veit Dietrich, Colleeta ex Colloquiis, Handschrift der Nürnb. Stadt- bibliothek p. 73%: Pura naturalia sunt e terra nascentia, Ea convenit edere ad con-

servandum humorem naturalem. Medici ea tumquam cruda. prohibent, id quod mihi displicet. 2) Frische Erbsen, Hülsenfrüchte. 3) Vgl. p. 63 d. M.

90,

Mir hatt gotts weiss!) offt vbel gefallen, aber itz rede ich yhm nicht ein.) . 1) Gottes Weise. 2) Vgl. Erl. A. 57, 150.

100.

Si impii etiam letissimos dies ducant, nihil invideo, aliud enim nihil illis eontingit quam poreo, das man auff den kobl!) wirfft vnd

21

bald darnaeh wird sehlaehten. Hue pertinet quod Esaias?) dieit, Sagi- nate, Saginate vietimam ete.

1) Der Kobel ist ein „geringes Wohngebäude, Wohnbehälter für Tiere, Tier- hütte*, im 15. Jahrh. so viel wie Stall (vgl. Weigand I, 975, Schmeller, Baierisches Wörterbuch II, 275), auch „Ueberzug, Haube, Decke, Kasten eines Wagens nach Müller 1,855. Das Wort ist abgeleitet von Kobe Mast- oder Sehweinestall. 2) Dieses Citat ist im Jesaias nicht anfzufinden. Wahrscheinlich schwebte Luther die Stelle Jerem. 12, 1,3 vor. Dies ist um so wahrscheinlicher, als es an einer andern Stelle, wo über denselben Gegenstand gesprochen wird, nach Erl. A. 57, 161 heisst: „Die Propheten haben sich auch daran gestossen (dass es nümlich den Bösen gut, den Frommen schlecht in der Welt geht), schreiben viel davon, und zeigen daneben an, wie die Frommen solch Aergerniss überwinden und sich da- wider trösten sollen. Als Jeremias spricht am 12. Kapitel (V. 1): Worumb gehets doch den Gottlosen so wohl, und die Verächter haben alle die Fülle? Aber es nimmt ein bös Ende mit ihnen, wie er weiter spricht (V. 3): Du lässest sic frei gehen wie Schafe, dass sie geselil: achtet werden, und sparest sie, dass sie gewürget werden. Davon reden auch viel Psalmen (Ps. 37, 49, 13)*. Vgl. Cord. p. 163.

101.

[36] Ego quidem sum den Lantzkneehten!) inimieissimus, et malo omnibus modis agere sub Turca, aut Tartaris quam sub ipsorum tutela, Si enim illi me oeceiderent, scirem, a quo sim oeceisus. nempe a Turcis, Christi inimieis, llli autem, qui sunt??)

}) Das Wort Landsknecht (seit den socer Jahren des 15. Jahrh.) bezeichnet ursprünglich einen „in kaiserlichen Landen“ geworbenen Söldner, aber in Beziehung auf die langen Spiesse der Söldner wurde jener Name zu Lantzknecht umge- bildet, wofür Weigand I, 1053 einige Belegstellen anführt. 2) Vgl. Erl. A. 57, 156.

102. Mich wundert, das Gott so gute vnd hohe ertzney in die dreeke gesteekt hat. Stereus enim poreinum, maxime si sit a poreo ealidum. sanguinem restringit receptum in manum, Equinum valet eontra pleu- resim !), Humanum sanat omnia. vulnera. 1 I) Seitenstechen. Eine alte Hand hat hinter pleuresim geschrieben „vnd

mehr“. 2) Am Rande steht von einer anderen alten Hand herrührend ,Ertzney*. Vgl. Erl. A. 57, 155, wo sich noch mehrere andere ähnliche Recepte als Zusatz finden.

103.

Baptismus dieitur spiritus lavaerum propter spiritum sanctum. qui datur vi promissionis, quae est in verbis Baptismi, Salvus erit.

104.

Dignitas est, das für das best gehalten wird, Vbi vulgus imperat, pro dignitate habetur libertas, quae tum!) in ipsa re magis lieentia [37] est vulgi, Vbi regnant pauci, Ihi pro dignitate habentur opes et nobilitas, Vbi vero optima est Respubliea , ibi virtus reputatur pro dignitate.

1) Tamen?

109.

Si nullam gratiam habemus a vieinis nostris persceutoribus Duce Georgio, eerte hane habemus, quod tyrannide sua id effieiunt, ne Seetarijs impleatur hee Regio.

22

106.

Non intres in iudicium eum servo tuo.) Haee remissio p: q3?) hie orat, necessaria est, non tantum in ceelesiastiea religione, sed et in Politia et Oeconomia, Imo in omnibus statibus et artificijs, Ubi enim haee non est, quid potest constare? Hine est, quod etiam Ethnieus ille) pronuntiat, Summum ius, summa malitia est.

1) Psalm 143, 2. 2) Aufzulósen mit remissio peceatorum quam hic orat sc. psalmista. 3) Terenz: Heautontimorumenos act. IV, se. 5. An ciner anderen Stelle sagt Luther (Erl. A. 22, 251): Wie der Heide 'l'erentius. sagt „das strengest Recht ist das allergrüóssest Unrecht“. Erl. A. 23, 295 fiihrt er jedoch den Vers auf Scipio zurück. Vgl. ausserdem Cic. de off. I, 10, der summum tus, summa iniuria hat. In sehr abweichender Form bietet Erl. A. 58, 194, 1*5. ähnliche Ge- danken. Der Vers findet sich auch Erl. A. 62, 254 und 60, 190,

107.

Tanta portenta rerum et doetrinarum, non quamlibet, sed multo maximam mutationem mundo pronuntiant. Caussae malae, sed parvae. maxime me movent, Sed maximae (ut est Campani!) convicium contra spiritum sanetuu)) minime. Sie enim in falibus cogito. Lass gehen. quia hoe supra te cst.)

I) Ueber den Niederländer Campanus, einen der protestantischen Anti- trinitarier der Reformationszeit vgl. das Nähere n. 0015. 2) Mit den letzten beiden Sätzen vgl. Erl. A. 57, 156.

108.

[35] Ego si lieeret, poenam ab inimieis meis multo atroeissimam, et vindietam sumerem ab inimieis Christi Silendo. Et ipse Deus non habet majorem iram quam eum silet.!)

1) Vgl. Erl. A. 57, 156, auch 57, 140, 141, 144 ff.

109.

Trotz!) Petro, trotz Paulo, Joanni?) et omnibus sanetis, quod unum verbum ex verbo Dei totum intelligant. quia sapientiae eius non est numerus?) nostrai) autem. velut ratio. intellectus et omnia ?). au non sunt eerto numero eompraehensa*

I) Trotz (Widerstand) sei geboten dem Petrus u. s. w., dass sie ff. Dies würde etwa in dem Sinne stehen von „Ich will es nicht zugeben, dass Petrus fl. auch nur ein Wort aus dem Worte Gottes ganz verstehen* fl. 2) Erl. 4.57, 14 Mose. 4) Psalın 147, 5. 1) se. sapientia. 5) Vielleicht oinnia alia, welches nach omnia leicht ausfallen konnte.

110.

Saneti intelligunt verbum Dei. konnen auch davon reden, aber sie lernens nieht aus. Scholastiei de hae re dederunt. exemplum Speram!), quae me se?) imposita, tota quidem visu eomprchenditur. sed tamen mensa eontingit eam tantum uno puneto.’)

y Lies Sphaeram, eine. Kugel. 2) Lies mensae. 3) Der Gedanke scheint folgender zu sein: In Bezug hierauf führen die Schultheologen als Beispiel eine Kugel au, die man, wenn sie auf einem Tische liegt, ihrem ganzen Umfange nach (darauf liegend) sieht, während der Tisch sie doch nur mit einem Punkte he- rührt. Also ists aueh mit dem Worte Gottes. Es liegt ganz vor uns. Aber nur etwas lernen wir davon. Vgl. auch Erl. A. 57, 14.

29

111.

[39] studui, et quidem diligenter, nee tamen unum verbum ex tota seriptura totum comprehendi, Hine est, quod iufantilem doetri- nam nondum exeesserim, Imo, quotidie quae seio revolvo in animo. et quaero intellectum Dee: alugi. Mimboli), Et quidem piget me nonnihil. quod ego tantus Doetor, velim. nolim maneam eum omni doetrina mea, cum?) doetrina meins hensichen vnd magdaleniehen, Versor in eadem sehola, in qua ipsi abnuntur?) Quis enim ex omnibus hominibus intelligit hoe verbum Dei seeundum omnem modum, quo- nodo est intelligendum. Pater noster. qui es in eoelis? Qui enim haee verha fide intelligit: ille Deus, qui Coelum et terram habet in suis manibus a3), is certissima. eonseientias) statim. subinfert. Quia ille Deus pater meus est. et ego filius eius sum, quis me*) poterit nocere? Dominus enim sum coeli et terrae et omnium, quae in eis sunt. Gabriel Angelus ist mein knecht. Raplıael mein furmann, et alij omnes Angeli, in omnibus neeessitatibus meis sunt administratorij spiritus, et in hoe mihi mittuntur a patre meo. qui est in Coelis. ne torte offendam ad lapidem peden meum, et tum, sie eredo, Feret?) mein guter [40] Vater zu vnd lest mieh iun ein kereker werffen. sinit me paulo post truncari eapite, aut aquae immergi, ut seilicet. sie ex- periamur. quam vere didicerimus hace verba vel potius primum hoe unum Pater, Palpitat enim fides eordium nostrorum, et nostra infir- mitas suggerit?) Ja wer weyss obs war ist? et unum verbum seio, quod omnium diftieillimum est in omni seriptura, nempe tuus, in primo Praeeepto.

111®.

Dum talia loqueretur") in mensa, ex pleno et aecenso eorde, sh prandio, respondebat Vxor, Quid hoe est quod sine intermissione lequamini et non editis? At ipse, Ieh wolt noch heut des tages gerne. ut antequam ineiperent eonelonari mulieres, orarent'") Ein paternoster vlt ylır zuvor spreehen.

111®.

Deinde cgo!!) studens eum revoeare ad priorem mentem, inter- rogabam, quid respondendum esset illi, qui adeo urgeret plerophoriam ! ?) ub Campanus)? Respondehat, Contra plerophoriam neminem un- quam docuisse Witenbergae, Sed de hae questione converti, Si sit aliquis plerophorens!!), Et "dicebat, Certos nos esse oportere doetrinae nostrae seu fidei ete.

1) Suche nach dem Verständnis der 10 Gebote, des Glaubens u.s.w. 2) Viel- leicht in. 3) Die Handschrift hat hier das oben im Texte stehende unverständ- liche, auch unleserlich: geschriebene Wort. Es. wird darin dem Zusammenhange nach das W ort alummantur zu suchen sein. Luther will sagen: Ich gehe in die- selbe Schule, in welcher sie selbst Zöglinge sind, erzogen w erden. Es ist noch zu bemerken, dass der über dem Worte stehende Strich, der in diesem Falle die Silbe na vertreten w ürde, leicht austallen konnte, auch ist das „b* in der ersten Nihe jenes Wortes sehr undeutlich geschrieben. 4) Ilinter "manibus fehlen en paar Worte. Der Z usammenhang (siehe das Folgende) ergiebt als Ergänzung: Pater meus est. 5) Der fügt im vollsten Bewusstsein sofort hinzu. 6) Für mihi, Vgl n. 60.— 7) Setzt hinzu. S) 2 Mos. 20,2. 9) Luther. 10) Vgl. n. 35. Il) Cordatus. 12) xAggoqooía.. völlige Gewissheit, Ueberzeugung in der Lehre.

24

13) Der Niederländer Joh. Campanus aus Maeseick in der Dióeese Lüttich ge- bürtig kam 1528 aus Cöln vertrieben nach Wittenberg, war 1529 in Marburg mit anwesend und trat nach einem regen Verkehr mit dem schon damals des Abfalls verdüchtigen Georg Witzel in Niemegk im März 1530 in einer Schrift: Contra Luthe- ranos et omnem post Apostolos mundum, die er zuerst (Köstlin II, 330) handschrift- lich verbreitet zu haben scheint, besonders gegen die Trinitätslehre auf und rühmte sich völliger Gewissheit in der Lehre, da er seit den Aposteln der erste sci, der die Wahrheit wieder entdeckt habe. Campanus endete traurig. Nach zwanzig- jähriger harter Gefangenschaft starb er, gebeugt von Kummer und Grain, im Kerker zu Cleve 1574. 14) aAnpogagav. 15) Diese drei inhaltlich zusammengehörigen Abschnitte lassen sich ebenfalls zeitlich bestimmen: Es werden von Luthers Kindern Hans und Magdalene erwälnt. Ersterer ist 1526, letztere am 4. Mai 1529 geboren. Seines am 7. Nov. 1531 geb. Sohnes Martin wird noch nicht gedacht. Darnach würde dieses Gespräch im Allgemeinen in die Zeit vom 4. Mai 1529 bis zum 7. Nov. 1531 zu setzen sein. Da aber Cordatus, der an demselben Teil genonmen hat, sich nach seiner Entlassung in Zwickan vom Juli oder August 1531 (Gótze, Jahresber. p. 67) bis zum Frühjahr 1532 in Wittenberg aufhielt, so inuss obenstehende Unter- redung in der Zeit vom Juli oder August 1531 bis zum 7. Nov. desselben Jahres, also 1531, statt gefunden haben. Vergleicht man schliesslich mit der ganzen Dar- stellung, wie sie Cordatus überliefert hat, die späteren deutschen "l'ischreden, die Erl. A. 57, 14 meistens nur dem Gedanken nach Aelinliches. in weitscliweifigerer Form bringen, aber von Frau Käthes Unterbrechung, der Teilnahme des Cor- datus u.s. w. nichts wissen, so wird inan nicht zweifelhaft sein, wo hier die ur- sprüngliche und richtige Form des Lutherschen Textes zu suchen sei.

112.

[11] Campanus serihit adversus omnes (is enim titulus est libri sui!) als wider sich selbs nieht, quemadmodum ipse putat, Plura enim seribit contra se quam eontra omnes.?)

I) Der richtige Titel des Buches ist in der vorigen Note angegeben. 2) Cam- panus Buch wird öfters bei Luther erwähnt, vgl. z. DB. Erl. A. 57, 130; 60, 324; 61, 6 ff. Obenstehende Worte Luthers stehen ebenfalls im innern Zusammenhange mit n. 111, a, b. und sind deshalb auch wohl 1531 gesprochen. Aus den Worten: is enim titulus est libri sui könnte man schliessen, dass Campanus Buch bereits 1531 durch den Druck verbreitet gewesen sei, während sonst erst von dem Drucke desselben im Jahre 1532 etwas bekannt ist.

113.

Martinus Cellarius!) omnibus modis meeum contendebat, meam voeationem?) majorem esse quam Apostolorum. liomines eiusmodi vani sunt et superhi, Qui tamen eis hane innatam superbiam et mali- tiam fortiorem faetam in animis suam praesumptionem, plerophoriam voeant?) et spiritus saneti. eertitudinem.

I) Martin Cellarius, aus Stuttgart gebürtig, schloss sich 0521 den Zwickauer [ ropheten an. Vgl. über ihn Köstlin I, 522, ^4*5, 756, Sie. Er ist nieht zu ver- wechseln mit Johann Cellarius, Prof. der hebr. Sprache zu Leipzig, und Michael Cellarins, Prediger in Augsburg (Seckendorf, hist. L. index 1). 2) Berufung. 3) Dieses (Gespräch gehört zu n. 125. Vgl. p. 3*9 d. M.

114.

Fische gehoren ins Wasser, Ein Dieb an galgenn, Der Teuffel in die Ilelle, Drumb heltf man yhr keinem, sie gehorenn doeh dahin.!)

1) In abweichender Form Erl. A. #1, 311.

25

115.

Cum iussu prineipis !) venisset?) in eivitatulam Chal?), ut moneret [42] Carolum!) et,alios expugnatores imaginum, passim posuerant manus, pedes, caput, euiusdam magnae imaginis, erucifixi. eireum am- heuem, quo ascendendum erat concionaturo Luthero, de qua audaeia, etiamsi vehementissime per eam fuisset. eommotus, tamen ne uno?) verho eius mentionem fecit, sed paeifieis verbis de toleranda eruee praedieavit et de obedientia debita principibus.) | 1) Friedrichs des Weisen von Sachsen. 2) sc. Lutherus, im August 1524. 3) Kahla in "l'hüringen. 4) Eine alte Hand hat in Carolostadium verbessert. Dr. Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt von der Stadt Karlstadt in Franken, seit 1305 Magister der Philosophie in Wittenberg, 1516 Dr. der Theologie, dann Prot. und Prediger daselbst, 1524 Pfarrer in Orlamünde. In demselben Jahre als. Bilder- stürmer und Sakramentierer seines Aınts entsetzt und Landes verwiesen, stirbt er nach einem vielbewegten Leben 1511 als Prof. zu Basel. 3) Am Ende der Zeile wheint quidem ausgefallen zu sein. 6) Denselben Vorfall erzählt, wenn auch in abweichender Form, Matthesius, Predigt V, s0 mit dem Bemerken, dass er die Erzählung selbst aus Luthers Munde vernommen habe.

116.

Deinde, eum ego!) certus, quod non timore illorum hominum siluisset, interrogassem, quo affectu motus silere voluisset, respondebat?), superbiam fuisse eontra superbiam, et superbissimo spiritui ipsorum. qui diabolieus erat, ita par pari referendum fuisse.)

I) Cordatus. 2) Lutherus. 3) Hätte man so Gleiches mit Gleichem ver- gelten müssen (nämlich dem unertrügliehen Stolze der Bilderstürner gegenüber). Hiernach hat also auch Cordatus die Schilderung jenes ins Jahr 1524 gehörenden Vortalles aus Luthers Munde gehört. Da nun Mathesius erst von 1529 an in Wittenberg gewesen ist, Cordatus sich aber auch während des ersten Quartals des- selben Jahres (Vgl. Götze, Jahresbericht p.60) dort aufhielt, so sind Luthers Worte wohl nicht vor 1529 gesprochen, es sei denn, dass er mehrere Male sich iiber den- selben Gegenstand ausgesprochen hat, so dass Cordatus bereits 1524-—1525 während seines ersten Aufenthalts in Wittenberg davon hörte.

117.

Das edelst kleinot einer Stadt ist seire, quod prineeps ei faveat, Et seire, quod non habeat gratiosum dominum, summum eius malum est.

118.

[13] Ins sedentium, de quo nune novi mei amiei seribunt, est, ut ipsi loquantur, et ego taeeam, Quod autem dieunt, me ius illud numquam pati voluisse, [loe secus sensi a deeennio in tanta turba eontradieentium, Deinde, dicat Caesar, respondeat Papa, si non sim passus ius sedentium.!)

. . D Luther scheint die Vorgänge in Worms 1521 vor Augen zu haben. Ueber die Beziehung, welche die Worte: ius sedentium -- scribunt haben, vermag ich keine sichere Auskunft zu geben. Vielleicht ist auf die in der Note zu n. 133 angeführte Zusammenkunft des Kurtürsten Johann und des Herzogs Georg zu Grimma (Juli 1531) angespielt, wo Luther in Sachen Georgs Schweigen geboten war. Eine besondere juristische Beziehung hat, wie ich höre, das ius sedentium nicht.

26

119.

Poena pecuniaria nulla est, quod vel divites sint homines. aut aequisitam uteunque peeuniam non magni pendant, Poena autem igno- miniae, lesi eorporis aut eapitis, propriae sunt poenae.

120.

Mulierum praedieationes tantummodo tristes faeiunt, quia sunt exactrices, et eum veritatem loquuntur, szo entfellet sie yhn, Vocabat autem hoc nomine longos logos!) vxoris, quibus ipsa per- petuo optima verba eius interturbabat?) Et D. Ionas eadem erat virtute.")

1) Aoyorg. 2) Vgl. n. 38 und 0115. 3) Die Worte von: vocabat virtute sind als Bemerkung des Cordatus aufzufassen. Dr. Justus Jonas, eigentlich Jodocus oder Jost Koch Northusanus, geb. 1493 in Nordhausen, Jurist und Theologe, einer der treuesten Freunde und. eifrigsten Gehülfen Luthers, 1519 Rektor der Univer- sität zu Wittenberg, 1521 Luthers Begleiter auf der Reise nach Worms, 1529 mit Luther in Marburg, 1530 in Augsburg anwesend, 1541 Superintendent in llalle. 1516 in Eisleben bei Luthers Tode zugegen, 1551 Hofprediger in Koburg, gest. 1555 als Oberpfarrer in Eisfeld an der Werra und Ober-Inspektor der fränkischen Kirchen im Fürstentume Koburg. In den deutschen Tischreden spricht Jonas in der That oft dazwischen.

121.

[44] Queeunque de trinitate, aut personarum origine in divinis, loeuti sunt patres, hue diligenter speetaverunt, ut trinitatem affirma- rent aeternam esse, et in ea nullum tempus aliud esse quam praesens. non praeteritum nee futurum. lline est, quod dieunt patrem. semper generare, semper nasei filium, Spiritum sanetum semper proecdere a patre et filio.

122.

Nisi sua magna miserieordia nobis servasset!) Bibliam, ipsa sine dubio authore Satana diu interijsset, tantus est inimieus eius, et hoe non sine eausa, quando etiam a Papistis audivit in templis boare?) hune versum, Dixit Dominus demino meo?) quem verto scivit ei olim illaturum damna, quae nune sentit.!)

1) sc. Deus. 2) Boare (Joar), laut schreien. 3) Psalm 110,1. 4) Der erste Satz ähnlich Erl. A. 57, 2.

123. Ego saepe soleo eontendere eum Deo meo de Christo et dieere, Tu deus meus, virum, quem Christum esse et voluisti voeari Iesum.

mihi proposuisti eredendum. In hune ergo eredam ct eonsistam in illo wie ein armer sunder usque in finem.

124.

[45| Fere ridieulum est Deum nos, qui sumus caro et sanguis. mutuo hello et pugnae eommisisse eum tum forti magno. spiritu. qualis est Satan, Et quod alia arma nobis in manus non tradidit ad- versus tantam potentiam, nisi ibi unum, istie alterum verbum Seripturae. quod fide apprehendamus, et sua!) tanta malefaeta Verbo vineamus Das muss gewisslich den grossmechtigen geist von hertzen verdrewssen.

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At in hae pugna inprimis diffieile est, Diabolum pro Diabolo agnoscere. Nemo enim verbis assequi potest, quam varie se illa maledicta maiestas transmutet, Cognito autem Satana, quod Satanas sit, facili verbo super- biam eius eonfundimus dieentes, Leck mieh in arss vel Scheiss in die bruch?) vnd hengs an den halsz.3)

1) sc. et quod sua (für ejus), dass wir u. s. w. Der Naclisatz beginnt mit: Das muss u.s. w. Vielleicht ist aber zu lesen ut sua (ejus) tanta malefacta Verbo vincamus. 2) bruoch, Hiüftenbedeckung, Beinkleid; si sneit im hemde unde bruoch, Parc. 127, im hanget diu bruoch um diu bein, Liedersaal v. Lassberg 3,110. Weigand I, 269 führt dieselbe Form nur aus Alberus (Barfuser Mönche Nr.530) an. Die späteren deutschen Tischreden (Erl. A. 60,3) haben Hemde für brueh. 3) Manche ähnliche Ausdrücke Luthers, dio für unser Ge- fühl ebenso derb wie abstossend sind, kommen auch bei Cordatus vor, freilich in weit beschränkterem Masse als in den deutschen Tischreden, wo sie besonders in Stücken, die diese mit Cordatus semeinsam überliefern, sich sehr oft als späterer, nicht von Luther herrührender Zusatz ausweisen. Jene Derbheiten das ist hier zu bedenken fanden in der damaligen Zeit, wo Luther die Sprache seines Volkes redet, eine entgegengesetzte Beurteilung. Man hielt sie sogar, wie Seekendorfan der in der Vorrede erwähnten Stelle berichtet, für gute Witze. Anderseits ist es wohl zu beachten, dass die stärksten derartigen Ausdrücke in der Regel nur dann bei Luther vorzukommen pflegen, wenn er mit dem Teufel selbst oder mit den Werkzeugen und Werken desselben zu thun zu haben glaubte. Dann beherrscht ihn das Gefühl, dass das Princip der Bosheit und Gemeinheit nicht anders genaunt zu werden verdiene als in der Sprache des Gemeinen selbst, und es drängt ihn seiner Verachtung undseinemAbscheu gegen den bösen Feind den stärksten Ausdruck zu leihen. Dass Cordatus endlich jenen Ausspruch Luthers eben- fallsnur im Bewusstsein des schwersten Ernstes niedergeschrieben hat. dafür bürgt uns das Seite 1 diesem Tagebuche vorgesetzte Motto.

125.

"Omnes «quos eolloquentes passus sum Sehwermeros per summam et praesumptissimam audaciam adorsi sunt), Adde etiam summam eerti- [o]tudinem, quae tamen tandem faeile eonfusa est. Sie adorsus est me omnium primus Marcus?) que eum ultimo?) ut a suo eepto!) de- sisteret, respondebat. Got selbs sol mir mein lere. nieht nemen. A quo eum denique signum postulassem, dicebat me satt signorum visurum. Aeque hine suspieabar malum seditionis. quia simpliciter et eandide loquebar eum eo, et ideo diecbam ad eum, Mein Gott wirds deinem Gott wol verbieten, das du kein Zeichen thust, Et eum inter alia por- tenta verborum dixisset, Se statim ad primum eonspeetum ita homines eognoseere, üt eis etiam animorum cogitationes posset revelare, Ideo rogabam, ut animj mei eogitationes reseraret, ad quod au- daeter statim respondebat, Me nune id volvere in animo, quod sua vera esset Doetrina, Cum autem ego id negassem esse verum, nolui tum ei, lieet roganti, hoe dieere. quod eugitarem, nisi eras redijsset, Redeunti dicebam, quod res erat. Habueram enim tum in animo haee verha Zaehariae?) Inerepet in te Dominus, Satan cte.

Paulo post ad me venit ille Nieolaus Storek*), illius Magister Zuieeavianus, llli eum haee de Marco dieebam. respondebat, Mar- vum [47] loqui oportere, quemadmodum ipse vellet, Is Storek valde ridebat, manum aqua plenam salvare posse homines, Neque quiequam

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effieiebam dicens, talem aquam satis effieaeem esse ad operandam salutem propter adiunetum Verbum Dei, quod hoe mandaret et faceret.

Post illos venit amborum discipulus Muntzerus?) Quam ille fuerit superbus et elatissimae doetrinae, nemo eloqui potest.

Post hune venit ad me quidam tornator?) proles Marci, qui dixit, Pater meus misit me ad te, Cui ego") Quis est pater tuus? Deus respondebat. et ego?) Et meus pater est. ergo sumus fratres. Quod igitur nuncium fers a communi patre nostro? Deum mundo valde iratum esse, Se enim vidisse, dieebanı !"), domum quandam magnam, in qua multi eompotatores sedissent, Quibus Deus adstitisset duobus eis digitis eomminans, Ex quo viso nuneium suum ei fuisse revelatum. Cui ego?) ante me talia seire, Sin autem haberet. ad me novum et privatum, hoe dieeret, Ex universa seriptura notum esse Deum mundo irasei? Ad haee abijt iratus; quod monitionem eontemnereni.

Puto autem, me istiusmodi homines possum !!) plus minus Sexa- ginta, Et vidi, omnem superbam «doctrinam. ipsorum abieetam esse et perijsse, ut pulverem terrae, Velut et Carolostadij, qui [48] omni- bus modis semper voluit. ut nos omnes suae doctrinae nos subijeeremus, Quod eerte faeere non potuimus, Reliquam obedientiam eorporis mei vel rerum, quam pari studio affeeta- hat!?), ergo eerte non negassem, Caeterum Doetrinae suae obedire nolui. quia non debui, et propter doetrinam meam dico eum Christo. Doctrina mea non est mea, sed eius, qui misit me®) Non possum igitur eam prostituere, ut mundus eupit, Ita exercitatus improbitate ministrorum Satanae nihil movear superba blasphemia Campani, quae et ipsa paulo post ruet, et abibit in loeum suum.!5)

I) Für adorti sunt. Die Perteetform adortus. sum ist. bei Cie. und Caesar nicht gebräuchlich. In den Handschriften dafür hiüufig adorsus sum. An dieser Stelle kann colloqui suppliert werden im Sinne von „sie begannen ihre Unter- redung*. Oder es ist „me* zu ergänzen, nach Analogie der folgenden Worte: sie adorsus est me, im Sinne von „sie griffen mich an“. Vebrigens hat Cordatus p.387, wo dieselben Gespräche in anderer Form vorkommen, „anno 1527 (1522) adortus est me Marcus ille". 2) Marcus Thomas Stübner aus Elsterberg bei Zwickau, studierte in Wittenberg, mit Melantlon betreundet, einer der sogenannten Zwickauer Pro-

pheten von 1521 und 1522. Vgl. Köstlin I, 520, 548, *01, 806. 3) Es wird wohl zu corrigieren sein qui, cum ultimo rogarem, ut a suo coepto. desisteret. respondebat. 4) Coeptimm, Unternehmen. 5) Zach. 3,2. 6) Der Tuchmacher

Nicolaus Storch war das Haupt der Zwickauer Propheten. 7) Thomas Münzer, Prediger in Zwiekau, 1521 wegen Teilnahme an den Umtrieben der Zwickauer Propheten entlassen, 1523 Pfarrer in Allstädt in Saelisen-Weimar, 1525 Anführer im Bauernkriege auf dem Thüringischen Schauplatze, hingerichtet nach der Niederlage der Bauern bei Frankenhausen. Ss) Rebenstoek IT, 20°: civis quidam Tornator. Erl. 4. 61,2 „unser Dresler*. Das quidam bei Cordatus weist wohl darauf hin, dass Tornator zu lesen und als nomen. proprium. aufzufassen ist. Dieser wird dann ein Sohn des Marens genannt. Oder soll proles bloss einen Anhänger des Mareus bezeichnen? 9) se. respondebam. 10) Lies dicebat. 11) Cordatus, schrieb wahrscheinlich posse ferre. 12) Köstlin I, 719: „Karlstadt war von jeher dafür bekannt, dass er Groschen und Thaler sehr hoch zu schätzen wisse.’ "Vgl auch Köstlin L, 754, wo berichtet wird, wie Karlstadt nach dem Bauernkriege in seiner Not Luthers Hülfe und Fürsprache trotz der vorhergegangenen litterarischen lelden anruft, Siehe schliesslich unten n. 129%. 13) Joh. 7, 16. 14) Alle obigen Unterredungen mit den Zwiekaner Propheten fallen ins Jahr 1572. Vgl. Küstlin an den unter ? angeführten Stellen, sowie Erl. A. 61, 1, 2; 61,73. Mit der Dar- stellung der deutschen Tischreden stimmt Cordatus p. 387 ziemlich überein, während die obigen Gespráche erheblich abweichen.

20 -

126.

Deus noster Dens est qui non eurat, Imo abijeit firma et operatur in infirmis, Ideo quoque facilius (ita ut mihi lieeat loqui de Deo) eon- vertit hominem infantili aetate, quam nos senes, qui penitus inunersi sumus regno Satanae.!)

1) Vgl. Erl. A. 57, 126, 125, 153, wo sich ähnliche Gedanken finden.

127.

[49] Deus non novit regere mundum, quia mundus non vult Deum habere, nee pati reetorem, sed Satanam, qui et novit mundum regere. At den forth!) hat Gott, das er mundum vnd Satanae regnum in mando zu drumen?) vnd. pulver stosset, wens sies zu grob machen.

I) Ohne Zweifel für forthel oder fortel (vgl. p. 179, wo ,fortel*, p. 193, wo urtel steht) oder auch fortheil. Die letzte Silbe scheint aus Verselien aus- gelassen zu sein. Erl. A. 6, 2 Vortheil. 2) Dativ Plur. von: das drum, Ende-

stück, Bruchstück, neuere Form das Trumm, Plur. die Trimmer. Erl. A. 902 Trümmern.

128.

Nieut Iudaei post triduum obliti erant calainitatum, quas passi erant in Aegipto et malebat!) seeundum affeetus ct desyderia sua in en esse, quam seeundum voluntatem Dei agere in deserto, Sie nune faciunt auditores nostri Saturi, et qui obliti sunt onera, quibus sub papa pressi sunt, Inveniuntur quoque qui mallent sub papatu vivere, quam in libertate Christi.?)

1) Lies malebant. 2) Einige ähnliche Gedanken in abweichender Form Erl. A. 57, 321.

129.

Muntzer, Karlstad, Campanus et similis farinae!) homines mei sunt inearnati Diaboli, non enim alio vertunt suas cogitationes quam ad noeendum et se vindieandum, et eum istiusmodi homines in tempore et loeo paeis plus audent et praesumunt quam diei possit, Ita?) magis timidi sunt quam homo eredere potest. [50| Hoc non ®) expertus. Cuius. timoris horrendum exemplum vidi in Carolostadio, qui eum in aedibus meis tempore relegationis suae plures quam oeto septimanas?) inseijs omnibus hominibus, habitaret, et veniente ad nos Eleetore nostro?) per pontem Albis, ipse fenestram adibat et me praesente. «peetabat versus pontem per fraetum "l'riangulum*), qui erat intra vitra omnia integra?) sed obiter") abibat, Cui eum dixissem, eur abiret, respondebat pallens et tremens?), ne a quoquam videretur, Scilicet eogitabam folium eadens, de quo Moses!?) loquitur, eommonere uteun- que timorem, at Suermeros plane timere, ubi nulla esset oecasio timoris.!!)

I) Aehnlicher Art. 2) Hier scheint ein Gedanke zu fehlen wie in tempore perieuli. 3) Lies Hoc enim (aus n: = enim, wie Cordatus dieses Wort ab- zukürzen pflegt, welches mit i = non verwechselt wird) expertus sc. sum. 4) Wochen. 5) Kurfürst Johann der Beständige von 1525 -1532. 6) Durch ein dreieekiges Loch. Die Form triangulus, i, m bei Frontin. 7) Welches sich unter den Glasscheiben befand, die sonst alle heil waren. *) Sofort. 9) se. se abire. I!) Levitieus 26, 36: terrebit eos sonitus folii volantis, et ita fugient quasi gladium, eadent nullo persequente. Vgl. auch Psalm 90, 5, 6; 103, 15, 16, sowie

30

das bekannte Kirehenlied von Gramann (geb. 1457, gest. 1541): „Nun lob, mein Seel, den Herrn, wo es V. 3 heisst: „Er kennt das arm (Geschlecehte, Und weiss, wir sind nur Staub, Gleieliwie das Gras vom Rechte, Ein Blum und fallend Laub. Erl. A. 62, 4 kommt zweimal der Ausdr. vor „ein rauschend blatt“. Vgl. auch Erl. A. 62, 15. 11) Dass Karlstadt nach dem Bauernkriege eine Zeit lang mitleidig von Luther selbst in seinem Hause verborgen gehalten sei, wird nur noch von Mathesius, Pred. VI, os berichtet. Nach Köstlin I, 754 verwendet sich Luther für Karlstadt beim Kurfürsten, der dann dem ehemaligen Pfarrer zu Orlamiünde gestattet gegen das Versprechen sich ruhig verhalten zu wollen in Kemberg seinen Wohnsitz aufzuschlagen, eine Erlaub- nis, von der er bis 1529 Gebrauch. macht. Dagegen wird für den „homo miser*, den Luther eine Zeit lang bei sich verborgen gehalten habe, der ebenfalls dureh Teil- nahme am Bauernkriege compromittierte "Theologe Martin Cellarius gehalten. Vgl. Küstlin I, 516.

130.

Egritudo animi, quam tristieiam vocant, et mors sind ge- sehwister vnd kinder miteinander. Imo Salomon!) inquit, Tristieia multos perire. et non esse tristieiam in ea. Adversus quam in Ger- manieo proverbium habent satis pulehrum. Guter muth ist Halber lcib.

I) Eeclesiastieus (Jes. Sirach) 30, 25 heisst es: „multos enim oceidit tristicia, et non est utilitas in illa. Hierauf dürften sich Lutliers Worte beziehen. Vgl. auch Eccles. 35, 19 u. Erl. 60, 118, wo ein ähnlicher Gedanke in abweichender Form sich findet. Das Sprichwort auch Erl. A. 60, 150.

131.

[51] Augustini sententia est, Legem impletam viribus rationis non iustifieare, sieut neque moralia opera iustifieant gentes, At si accessisset spiritus sanetus, tamen opera legis iustifieare, Campanus pro hae sen- tentia simius!) eius est, et hoe addit, huie non esse timendam gehen- nam?), quae sequela tantum est mortis, non item poena peceati illius. qui hie legem implevit, At questio quae eontravertitur non est vlex 3) instifieet vel opera rationis aut opera quae vocant moralia, Sed de hoe eontrovertitur, an lex faeta in spiritu saneto iustifieet. Et respon- sio est. non. Dieimus enim hominem, qui virtute spiritus saneti totaın legem impleret, tamen oportere illum*) invoeare misericordiam Dei sal- vantem, qui non eonstituit salvare per legem. sed per Christum. et opera numquam quietum reddunt nee sceurum animum liominis, neque reddunt eonseientiam hilarem aut paeatum eoram Deo, quod maxime lieet videre in Christo tristante. qui profeeto numquam potuisset tristari nisi lege pressus fuisset, eui sese propter nos subdidit, ct plane pu- fasse?) se deum habere iratum et adversarium, alioqui quomodo tristis fieri potuisset?)

1) Nebenform zu simia. 2) Hölle. 3) Lies utrum lex. 4) Wahrscheinlich illam. 5) Lies putasset. 6) Vgl. Erl. A. 5s, 312.

132.

[2] loannes in epistola et Euangelio suo tam simplieia verba loquitur, ut numquam in mundum magis simplicia sint ventura. Et tamen sub hae sua simplicitate omnia loquitur, quae alius summa duritia aut austeritate!), Exemplo sint haee duo. Qui filium non hahet, nee patrem habet?) Alia duo. Lex per Mosen. Veritas per Iesum Christum."

1) se. dieturus fuerit. 2) 1. Joh. 2,23. 3) Joh. 1,17. Vgl. Erl. A. 62, 135, wo sich unrichtig (vgl. die folg. Citate): „St. Joliannes der Evangelist" findet.

31

133.

Seripseram?D in tabulas meas haee verba, Luther ad Phi- lippum, Tu Rhetor es seribendo non dieendo?) Plaeebat enim mihi eando tum loquentis eum etiam audientis?). qui volebat persuadere Lutherum), ne rursus responderet libello edito per pastorem in Coln?). quem Luther voeat Meuehler von Trasen*9), Sed quae seripseram Philippo non placebant, Ideo petitis et repetitis saepe a me tabellis, quibus solebam audita inscribere, tandem dabam ei illas, quibus ipse parum leetis hoe distieon inseribebat:

Omnia non prodest Cordate inscribere chartis, Sed quaedam taeitum dissimulare deeet.

133*.

[33] Ego quidem semper intelligebam audax faeinus esse, quoties vel stabam ante mensam, vel sederem eonviva, et‘) seriberem omnia quae audiebam, at pudorem vineebat utilitas, Doetor autem nunquam ne verbo quidem signifieavit. ei hoe faetum meum displieere, Imo viam alijs feci, quod idem anderent. Maxime M. Vitus Theodoricus?) et Ioannes Turbieida?) quorum micas (ut spero) illis meis eoniunxero, omnis multitudo piorum gratis mihi erit, Haee ideo volui ad- seribere, quia valde confundebar poetiea Philippi, Nune aufem nemo nos imitatur. Porro qui me invito hee deseri- bit, tantum tali animo deseribat, quale ego simpliei ae ean- dido. et laudet meeum verba Lutheri magis quam Apollinis miraeula!). Verba inquam non tantum illa seria et theo- logiea. verum etiam in spetiem ludriea et levia.!?)

1) Cordatus. 2) Vgl. Folgendes: Primo (se. die) Augusti Martinus Luther solus in speenlationibus sedens creta in mensam seripsit: res et verba Philippus, verha sine rebus Erasmus, res sine verbis Martinus Luther, nee rem nee verba Carolostadius. Philippus Melanthon easu intervenit eum Magistro Basilio, afürmans, recte indieatum esse de Erasmo et Carolostadio, sed sibi nimium tribui, imo Luthero etiam verba adseribenda. Erl. A. 61, 94 u. 62,346. 3) Die Worte von eando - audientis sind unverständlich. Ich vermute eandor (Itein- heit der Gesinnung, Autrichtigkeit) tum loquentis (se. Lutheri) tum etiam audientis (se. Melanthonis). 1) Für Luthero. 5) Cólln ist ein in der Nähe von Meissen zelegenes Dorf. Der Name des (Geistlichen ist Franeisens Arnoldi. 6) Der „Meuchler von Trasen® (Dresden) ist der Herzog Georg von Sachsen, der 1251 Luthers Schrift „Glosse auf das vermeint kaiserliche Edikt" mit einer unter dem Namen jenes Pfarrers Arnoldi herausgegebenen Schrift (Dresden 1531, 14 Bl. iu 4) beantwortete. Luthers Antwort folgte bald. Es ist eine seiner leidenschaftlichsten Schriften „Wider den Meuchler zu Dresden“. Nun folgte eine zweite Antwort Amoldis: „Auf das Schambichlein, welches Martin Luther widder den Meuchler zu Dressden in kurtzvor-schiner Zeit hat aussgehen lassen® Dresden 1531, 24 Bl. in 4. (Allgemeine Deutsche Biographie I, 591). Auf diese zweite Antwort Arnoldis, hinter der sich wiederum der llerzog selbst verbirgt, der auch andere Personen in der- selben angegriffen hatte, soll num Luther, wie Melanthon wünscht, nicht wieder ant- Worten. Luther fügte sich den Wünschen seines Freundes, ist jedoch wohl mehr in Folge der Zusammenkunft des Herzogs Georg mit seinem kurfürstlichen Vetter Johann in Grimma (Juli 1531) veranlasst worden. den Streit aufzugeben, nach welcher er auf Georgs Beschwerden die ernstliche Mahnung erhielt sich des scharfen Schreibens gegen jenen Fürsten zu enthalten und versprechen musste den Herzog in Rule zu lassen (Köstlin II, 25%). Ueber diesen in seinen Einzelheiten wenig bekannten Streit mögen noch folgende Mit-

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teilungen Platz finden, die ich zum Teil der Güte des Herrn Prof. Kawerau verdanke: Wider den Meuchler zu Dresden 1531, heisst es Erl. A. 25,90 „Dies Biichlein (gegen welches er seinen Meuchler richtet) hat keinen Namen,

und ist dazu gedruckt zu Dressen ....... LL. und muss ein Dorfpfarrer zu Cóllen bei Meissen solches preisen und loben ..... die erste (papistische Tugend)

ist, dass der Dichter dieses Büchleins. der liebe Laie, seinen Namen versehweigt und doch den Pfarrherrn zu Cöllen bringt, der ihn auch nicht nennet. Ferner de Wette IV, 2*0, Luther an Amsdorf, 14. ^. 1531: Rogat me M. Alexius Colditius (Alexius Chrosner, geb. 1490 in Colditz, Erzieher des Kurprinzen Joh. Friedrich von Sachsen, eine Zeit lang Schlossprediger in Dresden, 1527 entlassen, lebte noch 1534 in Altenburg), ut iuves, apud vos excudi librum suum contra Pastorem Coloni- eum Ducis Georgii, qui Meuchler vocatur zu Dresden. Ego non vidi libellum, nec videre volui propter pacta pacis facta proxime Grimmis. Hieraus geht also hervor, dass Colditz, welchen Ierzog Georg in der zweiten Antwort Arnoldis des Dieb- stahls beschuldigt hatte, den Streit fortsetzen und das betreffende Biichlein in Magdeburg drucken lassen wollte, was in Wittenberg nicht erlaubt gewesen wäre. Endlich heisst es corp. Ref. 1I, 556: Lutherus et ego dehortati sumus hominem ab editione et hic excudi nolui, sed ille non potest placari. Der Druek ist nicht unterblieben. Nach der Allgem. Deutschen Biographie ist Colditius Buch gegen Arnoldi im September 1531 in Magdeburg wirklich er- schienen. 7°) Es ist wohl zu lesen nt scriberem omnia, vielleicht auch vel starem. 8) Veit Dietrich, geb. 1506 zu Nürnberg, Luthers Tischgenosse, 1530 mit diesem in Coburg, seit 1535 Prediger an Skt. Sebald zu Nürnberg, gest. 1519. 9) Joh. Sehlaginhauffen, später Pastor in Köthen, von Melanthon (de Wette Briefe 5,57) Ochloplectes genannt. Er unterschrieb mit Dietrich die Schmalealdener Artikel. 10) se. haec descripsi. Lies jedoch quali. 11) Oraeula? 1?) Die Worte des obigen Absatzes von: ego quidem saepe an, die für die Glaubwürdigkeit, das Alter, die Wichtigkeit und den Ernst der Aufzeichnungen des Cordatus von der grössten Wichtigkeit sind, müssen wohl als ein im Jahre 1537 bei der Zusammenstellung seines Tagebuches gemachter Zusatz an- gesehen werden. Vielleicht aber stammt auch das Ganze, wenigstens in der obigen Form, erst aus dem erwähnten Jahre, da sich in demselben eine gewisse Animosität gegen Melanthon, mit dem er 1536—1537 den in der Vorrede erwähnten heftigen theologischen Streit führte, bemerklich macht. Der Vorfall selbst gehört in das Jahr 1531, und zwar wohl in den Monat August.

134.

(ratia non aufert naturam, sed mutat, ae utitur ea ad gloriam Dei, Velut elementia mitis et